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Isartod

Isartod

Titel: Isartod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kämmerer
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der Betonbrüstung einen Spatz, der sich nicht recht entscheiden konnte, ob er näher kommen sollte oder nicht.Mader schnippte einen großen Brotkrümel vom Tisch in Richtung des Vogels. Na komm, Kleiner, trau dich!
    PLATONISCH (10:12)
    Die Sonne kitzelte Zankl in der Nase. Er kuschelte sich in die Bettdecke. Frisch bezogen. Er fühlte sich gut. Ausgeschlafen. In der Küche klapperte Geschirr. Seine schöne Frau machte Frühstück. Conny! Wie er sie liebte. Im Moment allerdings nur platonisch. Dieses Hormonzeugs hatte seine Verdauung komplett ruiniert. Das nannte man natürliche Verhütung. Was tut man nicht alles für die Liebe. Er hörte das Röcheln der Kaffeemaschine und atmete den Duft der frisch gemahlenen Bohnen ein. Seine Eingeweide zogen sich zusammen, und er sprang wie von der Tarantel gestochen aus dem Bett und spurtete aufs Klo. Anschließend schleppte er sich unter die Dusche. Fühlte sich wie ein alter Mann.
    Ihm traten wieder die Tränen in die Augen, als er sah, wie wunderbar seine Frau den Tisch gedeckt hatte. Das weiße Geschirr, nicht die Brettchen und die groben bunten Kaffeehaferl, die sie sonst benutzten. Blumen. Erlesene Köstlichkeiten: Wurst und Käse, Müsli, Obst, Joghurt, frisch gepresster Orangensaft. Brezen, Semmeln.
    »Ist von dem Zwieback noch was da?«, fragte er schwach.
    »Mein armer Schatz«, sagte Conny fürsorglich und drückte ihm einen Kuss auf die Wange.
    Zankl nagte an seinem Zwieback, während seine Frau sich das komplette Programm reinzog.
    Zankl war deprimiert. Er hatte seiner Frau versprochen, dass sie heute wieder an den Starnberger See fahren. Baden, Biergarten, Nichtstun. Nicht der optimale Plan für jemanden in seiner Verfassung.
    »Magst du belegte Semmeln fürs Picknick oder lieber trocken?«, fragte seine Frau.
    »Trocken wie beim Sekt«, antwortete Zankl.
    Sie grinste und holte aus dem Kühlschrank eine kleine Flasche Champagner. Bestens gelaunt räumte sie die Picknicksachen in einen Korb.
    Zankl schaltete sein Handy ein. Die Mailbox piepte. Gestern. 23:14. Er hörte den Anruf ab: »Hallo, Zankl, hier ist Hummel. Ich dachte, ich erwisch dich vielleicht noch. Na ja. Ich … Nein, das ist jetzt zu kompliziert. Jedenfalls hat es doch noch geklappt mit der Band. Ich kann einspringen und nehme Dosi mit. Du bist ja momentan leider außer Gefecht, aber vielleicht ist es gut, wenn du dein Handy an hast, falls irgendwas ist. Dran war der Hummel. Servus.«
    Zankl vergaß seinen labilen Zustand. Platzte vor Neugier. »Doch noch geklappt! Dass ich nicht lache! Die drehen da was! Ohne mich!« Er rief Hummel an und landete nur auf der Mailbox. Seine Message: »Hummel, du blöder Arsch! Ihr dreht da alleine was, und ich weiß von nix. Ruf gefälligst zurück!« Er legte auf und wählt Dosis Nummer. Ebenfalls Mailbox. Er wollte schon einen unflätigen Spruch hinterlassen, als er seine Frau in der Tür bemerkte und auflegte.
    »Ärger, Schatz?«, fragte Conny.
    »Ich muss noch mal weg!«, sagte er grantig.
    »Das ist nicht dein Ernst?!«
    »Doch. Nur kurz ins Büro, was holen.«
    »Hey, wir wollten einen Ausflug zum Starnberger See machen«, sagte sie langsam und drohend.
    »Ja. Wenn ich zurück bin. Dauert nicht lange. Es ist wichtig.«
    Ihre schönen Augen wurden zu schmalen Schlitzen, die keine asiatische Gelassenheit signalisierten. Die Schlafzimmertür schloss sich mit einem bedrohlichen Klicken.
    GANZE ARBEIT (10:40)
    Katrin sah sich auf dem Burghof um. Respekt, ihr Mann hatte ganze Arbeit geleistet. Nichts erinnerte mehr ans 21. Jahrhundert. Kein Auto, kein Briefkasten, keine Mülltonne. Sogar die Satellitenschüssel am Wirtschaftsgebäude war abgeschraubt. Na ja, die Showbühne mit ihren Boxentürmen und der Lightshow waren ein Zugeständnis ans Publikum. Je später der Abend, desto lauter und tanzwütiger die Leute. Ansonsten: Budenzauber à la rusticana. Lange Holztresen, an denen aus Holzfässern Bier gezapft und in Steinkrügen unters Volk gebracht wurde. An einem riesigen Grill drehte sich jetzt schon ein Ochse. Im Steinofen daneben wurden Fladenbrote und Semmeln gebacken.
    Katrin dachte an ihren Vater. Für ihn waren das immer die Höhepunkte des Jahres. Die beiden Feste im Winter und im Sommer. Die Freunde, die High Society, die Ausgelassenheit. Auch sie hatte es geliebt. Jetzt hatte ihr Mann das Ruder übernommen …
    Katrin brauchte einen Moment, um wieder auf den Teppich zu kommen. Sie sah zu dem Turmfenster hinauf, aus dem ihr Vater gestürzt war. Ihre Gedanken

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