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Isartod

Isartod

Titel: Isartod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kämmerer
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schwingt,
    bis die Sonne ihn verdrängt.
    Ein kleiner Vogel flog hinauf ins Blau des anbrechenden Sommertags. Über den Englischen Garten, Münchens grüne Lunge. Kalte Adern Isar. Die Blocks von Freimann – Lego-Riesen, die den Park im Norden besiegeln.
    In den Süden. Rechts Schwabing. Münchner Freiheit. Welch Versprechen!
    Links oben Bogenhausen. Der Range Rover unter den Stadtvierteln.
    Tivolibrücke bereits verstopft. Autos aufgeperlt. Nicht schlecht für Samstagmorgen. Der Friedensengel glänzte. Das Ockergold des Landtags noch unschuldig. Eine Tram kreischte das Schienenrund hinab zur Maximilianstraße. Auf der Kiesbank unterm Müllerschen Volksbad verrichtete ein Rottweiler dampfend sein Geschäft. Von Herrchen keine Spur. Am Kiosk der Reichenbachbrücke zwei Surfer in Neopren mit ihren Brettern. I love Munich steht auf ihren Kaffeebechern.
    Brudermühlbrücke. Kalter Gürtel aus Beton und Blech um den Bauch der Innenstadt. Endlich Flaucherkies. Paradies der Essensreste. Wusste der Vogel und setzte an zur Zwischenlandung. Brotzeit. Die Schwäne, die Steine, das Wasser. Und ein Faden scharfer Duft. Streichelzooziegen.
    Wieder hinauf, Thermik folgen. Jetzt das Isartal, ganze Schönheit. Eine Modelleisenbahn auf der Großhesseloher Brücke. Eine Spielzeugtram rumpelte die Südliche Münchner Straße hinaus in Richtung Grünwald. Wo doch hier jeder Porsche fährt.
    Fast.
    Ein alter Ford Transit wendete gerade mit pfeifenden Reifen. Trotz Gegenverkehr.
    »Duke, du Arsch!«, brüllte der Beifahrer gegen die dröhnend lauten Dubliners.
    »Schnauze, Max«, kam die knochentrockene Antwort.
    »Wenn uns der erwischt hätte?!«
    »Kann dir doch wurscht sein, ist meine Karre.«
    »Na klar, Duke. Als ob es darum geht.«
    Der Transit bog auf den Parkplatz des McDonald’s ein. Die Dubliners verendeten.
    Max drehte sich nach hinten zu den restlichen Fahrgästen. »Also, haut’s euch die Scheißburger rein, aber nicht mehr als zwanzig Minuten. Ist das klar?!«
    »Geht doch, Max, geht doch«, sagte ein Dicker und schälte sich aus dem Fond. Er trug einen fleckigen braunen Wildledermantel. Fadenscheinig. Wie Fenstertücher, dreißig Jahre in Betrieb. Manches schon gesehen.
    Zwei weitere Herrschaften stiegen aus. Dunkelrote Strumpfhosen, die in flachen Wildlederboots endeten. Stiefelspitzen wie Fragezeichen in den Himmel.
    Was trieb euch von zu Hause fort,
    ihr Spielmannsleut zur frühen Stund,
    an diesen garstig Ort?
    Frühsport vielleicht? Der Dicke ließ breitbeinig die Hüfte kreisen, das Ledercape knatterte im Wind, um dann den ganzen Schwung hineinzugeben in einen gewaltigen Schors, der verwegen über den Parkplatz hallte.
    »Hey, Erik, du bist echt eine Sau«, sagte Max, der jetzt auch ausgestiegen war. Der Hüne Max trug Lederschnürjeans und ein grobes Leinenhemd. Mit Stickerei: Ludwig II.
    »Geht nicht mal in einer Landdisco«, dachte Hummel, der das alles leicht benommen von der hinteren Sitzbank beobachtete. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn.
    »Was ist, Hummel, kommst du auch?«
    »Klar, Max, klar komm ich. Gleich.«
    Der Duke drehte sich vom Fahrersitz um und grinste Hummel an. Duke. Bandleader von Eisenterz – Münchens lautester Mittelalterband. Duke war groß und dünn, sehrdünn, Hautfarbe wie Lenins Leiche. Er trug einen bodenlangen schwarzen Samtmantel, der dubios schillerte, und hatte einen großen Schlapphut mit Feder in der Hand. »Hey, Jungs, was ein geiler Tag! Ich sterbe für eine Apfeltasche«, zwitscherte er.
    Jetzt hoppelte ein rostiger VW -Bus auf den Parkplatz. Verboten laut. Scheiben beschlagen. Als der Motor erstarb, hörte man, dass nicht nur der Auspuff für den Lärm verantwortlich war, sondern auch Slayer . 130 Dezibel. Mindestens.
    Als Slayer schlagartig verstummten, war es, als hätte jemand den Stecker aus dem Sommermorgen gezogen.
    Hummel atmete auf und widmete seine Aufmerksamkeit den Gestalten, die aus dem VW -Bus stiegen: Mädels. Na ja. Wenn man so will. Nicht mehr taufrisch, einen Hauch aus der Form. Aber so aufreizend in Landhausdirndl gepresst, dass es Hummel durchaus verwirrte. Auch Dosi, die mit hochhackigen Stiefeln und Dekolleté wie ein Hubschrauberlandeplatz komplett ihre Proportionen verschoben hatte.
    »Was schaust’n so, Hummel, warst no nie auf der Wiesn?«, blaffte sie ihn an.
    »Ich, äh …«
    Die Ladys lachten wiehernd und verschwanden mit den Burschen im Mäckie. Hummel war noch ein bisschen unschlüssig, aber wenn’s denn sein musste. Er zog die

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