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Isartod

Isartod

Titel: Isartod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kämmerer
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waren ganz klar. Sie würde die Pläne ihres Mannes nicht zulassen. Er war für den Tod ihres Vaters verantwortlich,indirekt zumindest. Und für Luigis Tod! Ihr Mann und seine schmutzigen Geschäfte. Aber er würde stolpern. Wenn ihr Plan funktionierte.
    APOCALYPSO (10:42)
    Zankl trat vor die Tür. Eitel Sonnenschein. An einem solchen Sommertag konnte man gar keine schlechte Laune haben. Er beruhigte sich. Er würde schnell das Kostüm aus dem Büro holen – für alle Fälle – und dann zurückkehren zu seiner Frau. Vielleicht war er abends so weit wiederhergestellt, dass er auch noch nach Waldeck konnte. Irgendwie würde er schon reinkommen. Seine Frau musste er zuerst mit dem Badeausflug zufriedenstellen. Sonst war Holland in Not. Er würde ihr jetzt auf dem Rückweg einen schönen Strauß Blumen kaufen.
    Als er die Stufen zur U-Bahn Theresienwiese hinunterging, spürte er wieder das fiese Rumoren im Unterleib. Nein, doch lieber nicht die U-Bahn. Wenn es da passierte, saß er in der Falle. Er drehte um und ging zur Schwanthalerstraße. Zwanzig Minuten zum Stachus. Bei dem Wetter ein pures Vergnügen.
    Bis zum Stachus ging alles gut. Dann machte Zankl einen verhängnisvollen Fehler. Statt das schöne Wetter und den hektischen Verkehr zu genießen, wählte er den kürzeren Weg durchs Untergeschoss. Der Duft der Unterwelt traf ihn voll in die Magengrube. Asiasnack, Aufbackbrezn, verdörrte Schweinshaxn unter Rotlicht, Chilileberkäse. Kein Erbarmen. In ihm brodelte es. Die grellorangefarbene Schrift auf den Schaufenstern eines Schuhgeschäfts sprach eine deutliche Sprache: ALLES MUSS RAUS!
    Musikalisch ausgedrückt: Apocalypso. Höllische Rhythmen in seinem Gedärm. Blitzschnelle Prozesse zwischen unten und oben. Die Wahrscheinlichkeit, die Ettstraße noch rechtzeitig zu erreichen – gegen Null. Zankl sah sich um. Boutiquen, Fressbuden, keine Klos. Nach oben! Er hastete die Rolltreppe hoch, fühlte sich wie eine Zeitbombe. Die letzten sechzig Sekunden tickten. Mäcki? Der Fettgeruch würde ihm den Rest geben. Fünfzig Sekunden. Oberpollinger? Klo oben beim Restaurant. Vierzig Sekunden. Never. Wohin? Er sah das Taschengeschäft. Oldschool-Einzelhandel-Fachgeschäft. Gab’s tatsächlich noch. Die hatten bestimmt … Dreißig Sekunden.
    »Was kann ich für Sie tun?«, fragte die nette ältere Dame.
    Zankls Blick flatterte. »Die schwarze Handtasche da oben«, presste er heraus.
    Zwanzig Sekunden.
    »Warten Sie, ich hole eine …«
    »Haben Sie eine Toilette?«
    »Äh, ja, da hinten.«
    Zehn Sekunden.
    Endspurt. Tür auf. Licht an. Tür zu. Abfahrthocke. Zankl weinte vor Glück. Das war knapp. So knapp. So fühlt sich Erlösung an.
    Kurz darauf betrat er wieder den Verkaufsraum. Fühlte sich großartig. Die Verkäuferin hielt ihm die schwarze Handtasche entgegen. Er strahlte sie an und befühlte das Leder. »Sehr fein.« Zankl staunte über sich selbst. Zielsicher hatte er die schönste Tasche im ganzen Laden ausgewählt. Besser als Blumen. Das würde seine Frau versöhnlich stimmen. Garantiert.
    »480«, sagte die Verkäuferin.
    Er schluckte. »Äh, das ist, äh, viel Geld.«
    »Die See by Chloé Daytripper ist was fürs Leben. Ein Klassiker, und das ist schon ein ausgesprochen günstiger Preis. Unser letztes Modell. Ich gebe Sie Ihnen für 440«, schlug die Dame vor. »Sehr schöne Qualität.«
    Als Zankl im Präsidium eintraf, war seine Wut wieder da. Warum war er nicht dabei?
    Auf dem Flur im Erdgeschoss kam ihm Dr. Fleischer entgegen. »Hallo, Zankl«, trällerte sie. »Auch Überstunden?«
    »Sieht so aus. Ist das der neue Dienstlook?«, fragte er und deutete auf das verwaschene Stones-Shirt, das sie über Lederrock und Cowboystiefeln trug.
    »Von ’ner alten Freundin. Original 1972.«
    »Sehr cool.«
    »Und Ihr Tascherl ist auch sehr lässig. Könnte ein Trend werden. Männer mit Handtaschen.«
    »Das ist …«
    Weg war sie.
    Im vierten Stock betrat Zankl ihr gemeinsames Büro und ging an den großen Schrank. Verdammt! Der Karton mit den Kostümen war nicht da! Das Blut pochte in seinen Schläfen. Bei Mader fand er schließlich die Kiste. Er suchte sich eine Strumpfhose, ein Flanellhemd, Stiefel und einen Gehrock heraus. Richtig scheußlich. Egal. Bis auf die Stiefel stopfte er alles in die Handtasche.
    HOTHOTHOT (12:00–15:00)
    Die brüllende Mittagssonne brachte den Asphalt in München zum Kochen. Ein Teppich aus flirrender Luftwaberte über der Straße. Der Stachusbrunnen blies seine Wasserfontänen in den

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