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Isau, Ralf - Neschan 03

Titel: Isau, Ralf - Neschan 03 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lied der Befreiung Neschans Das
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schnell unter dem riesigen Schuppenwesen dahin und immer wieder blickten Menschen erstaunt zum Himmel auf, rieben sich die Augen. Später erzählten sie ihren Angehörigen und Freunden, sie hätten an diesem Tag ein Geschöpf gesehen, das eigentlich nur noch in Legenden existieren dürfte.
    Yonathan genoss den Flug, obwohl es nicht sein erster war. Bei seiner Flucht vom Palastberg in Cedanor hatten er, Yomi, Gimbar und Felin einen Heißluftballon gekapert – und waren einige Zeit später ziemlich hart gelandet. Er hoffte, dass Garmok sie sanfter absetzen würde.
    Während des Fluges war eine normale Unterhaltung mit dem Drachen unmöglich. Sobald Yonathan den Kopf aus dem Transportsack steckte, blies der Wind so stark, dass jedes andere Geräusch erstickt wurde. Einmal mehr bediente er sich der Sprache der Gedankenbilder, um sich mit Garmok zu verständigen. Auf diese Weise erfuhr er, wann sie das blau glitzernde Band des Byrz-Els überflogen, der Große Wall mit seinen schneebedeckten Gipfeln unter ihnen hinwegglitt und sie sich schließlich der Grenze von Gan Mischpad näherten.
    Yonathan reckte den Kopf aus seiner Reiseunterkunft, mittlerweile war es ziemlich unbequem darin geworden. Obgleich der Fahrtwind seine Augen tränen ließ, musste er einfach nach vorne blicken. Garmok flog direkt auf den Grenznebel zu, der aus dieser Perspektive wie eine gigantische Wolkensäule wirkte. Je näher der Drache dem hellen Gebilde kam, umso mehr verstärkte sich der Eindruck einer massiven milchig weißen Wand.
    »Wenn du nicht gleich etwas unternimmst, lande ich hier in der Steppe und ihr könnt den Rest des Weges laufen«, beklagte sich Garmok in der Gedankensprache.
    »Keine Angst«, signalisierte Yonathan zurück. »Flieg einfach in die Wolken hinein. Ich sorge dafür, dass wir auf der anderen Seite wieder heil herauskommen.«
    »Noch in diesem Jahrtausend?«
    »Ganz bestimmt.«
    Schon tauchte die riesige fliegende Gestalt in den Nebel ein. Die Wolken umflossen den Drachen und seine lebendige Fracht; sie waren weder feucht noch kalt. Nur einen Augenblick später – ganz wie der Hüter des Gartens es versprochen hatte – öffnete sich der graue Vorhang und gab den Blick auf ein Paradies frei.
    »Dein Domizil gefällt mir«, meldeten Garmoks Gedankenbilder.
    »Danke«, antwortete Yonathan. »Aber ich habe es nicht selbst eingerichtet. Es ist sozusagen nur gemietet.«
    »So wie Har-Liwjathan von mir. Ich kann dich gut verstehen, Geschan.«
    Die Landung des Drachen verlief beinahe ohne Komplikationen. Garmok schwebte elegant über den See der Reinheit ein, vorbei an der alten Trauerweide, deren knorrige Rinde Yonathan vor vier Monaten die Ankunft seiner Freunde verraten hatte, den lebendig sprudelnden Bach hinauf, direkt auf das Haus der Richter Neschans zu. Als das Flugwesen aufsetzte, musste es seine relativ kurzen Füße zu Hilfe nehmen, um den Schub der großen Schwingen abzubremsen. Garmok trippelte und rutschte, grub zwei tiefe Furchen in den Gemüsegarten, drohte ein-, zweimal zu stolpern, fing sich wieder und brachte seinen massigen Leib schließlich glücklich – wenn auch sehr dicht – vor dem Heim des Richters zum Stehen.
    Der alte Sorgan und seine Frau, Balina, hatten gerade vor dem Haus gesessen und starrten jetzt leichenblass zu dem gewaltigen graugrünen Schuppentier empor. Erst als Yonathan aus dem Transportsack schlüpfte, eine Begrüßung schrie und dabei wild mit den Armen in der Luft herumfuchtelte, konnten sie sich von dem erschreckenden Anblick der roten Drachenaugen lösen.
    Dann bewegte sich ein anderer Beutel auf den Drachenschultern und Gimbars Kopf schob sich ins Freie – sein Gesicht war mindestens ebenso weiß wie dasjenige Sorgans oder Balinas.
    Ehe sich noch eine Unterhaltung entwickeln konnte, war Bithya aus der Tür getreten, Gurgi, den kleinen Masch-Masch aus dem Verborgenen Land, auf ihrer Schulter. Das pelzige Wesen schrie erschrocken auf, als es den Drachen sah, und sauste fluchtartig in das Haus zurück. Bithyas Reaktion dagegen versetzte Yonathan in Erstaunen: Ihre Augen verrieten nur für einen winzigen Augenblick so etwas wie Überraschung, dann knüllte sie das Geschirrtuch zusammen, das sie in den Händen gehalten hatte, warf es demonstrativ auf den Boden und stemmte die Fäuste in die Hüften. Ihre Stimme klang alles andere als erfreut.
    »Wann wirst du eigentlich erwachsen, Yonathan? Ich habe dir schon hundertmal gesagt, dass du mit anderen Geschöpfen pfleglicher umgehen

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