Isau, Ralf - Neschan 03
mir hier stirbst.«
Yonathans Wimpern begannen zu flimmern. Ein tiefer Atemzug und er schlug die Augen auf.
»Gimbar?«
»Wenn’s genehm ist.«
»Du solltest doch nicht…«
»Ich bin eben unverbesserlich.«
»Das stimmt. Ich danke dir dafür.«
Gimbar grinste breit. »Endlich mal einer, der auch meine Schwächen zu würdigen weiß. Komm, ich bringe dich jetzt in die Obhut von ein paar äußerst entzückenden Pflegerinnen. Ich wette, Bithya wird dir ganz schnell wieder auf die Beine helfen.«
Jetzt musste auch Yonathan lächeln. »Ich wusste ja, dass du kein Mitleid mit mir haben würdest.«
Yonathan wollte es nicht darauf ankommen lassen, Bithyas Qualitäten im Heilen zu erproben. Er konnte sich recht lebhaft den Klang ihrer vorwurfsvollen Stimme ausmalen. Von Gimbar gestützt, betrat er auf eigenen Füßen das Lager der Wartenden.
Der Empfang fiel dann aber eher herzlich als tadelnd aus. Bithya war überglücklich die beiden müden Krieger so gut wie unbeschadet zurückzuerhalten. Gurgi erklomm aufgeregt fiepend ihren großen Freund und Yamina brachte ihre Freude durch einen gellenden Nomadenschrei zum Ausdruck. Selbst Garmok setzte seine Anteilnahme am Glück der Menschen in würdige Worte und gratulierte dem siebten Richter zu dem gelungenen Streich gegen Bar-Hazzats einstiges Machtzentrum.
»Das war erst Nummer zwei«, erklärte Yonathan müde. »Vier weitere Bannsteine sind noch zu vernichten. Lasst uns nach Cedanor aufbrechen. Dann können wir heute noch das dritte Auge ausschalten.«
Seine Gefährten erklärten ihn einstimmig für verrückt und nach einigem Hin und Her gelang es Bithya und Yamina ihn wenigstens zu einer kurzen Rast zu überreden. Die beiden Mädchen hatten sich mittlerweile ausgezeichnet aufeinander eingestellt – vor allem, wenn es darum ging, die Argumentation ihrer Begleiter mit weiblicher Logik auszuhebeln.
Während weit im Westen die Heere Temánahs ihre zweite Angriffswelle gegen Cedanor vortrugen, schlief Yonathan erschöpft im Schatten des Drachen ein.
XIII.
An den Wurzeln des Sedin-Palastes
Wenn Bithyas Essen nicht so gut gerochen hätte, wäre die Stadt Cedanor wohl endgültig verloren gewesen. Yonathan erwachte von einem glockenhellen Gelächter und ein herrlicher Duft stieg ihm in die Nase. Das Lachen stammte von Bithya und der wunderbare Geruch nach gebratenem Lamm und gedünstetem Gemüse entströmte zwei großen Kochtöpfen, in denen sie geschäftig rührte.
»Ich bin hungrig wie ein Bär«, meldete sich Yonathan zu Wort.
»Du bist ja wach!«, freute sich Bithya. »Komm und setz dich zu uns. Es gibt etwas zu essen.«
»Wie lange habe ich geschlafen?«
Gimbar schaute zum Himmel. »Nur kurz, die Sonne hat vor etwa einer Stunde den Zenit überschritten.«
»Lange genug«, brummte Yonathan. »Lasst uns essen und dann den Flug fortsetzen. Ich habe das ungute Gefühl, dass man uns in Cedanor braucht. Heute noch.«
Das Mahl und das darauf folgende Zusammenpacken der Kochutensilien nahmen etwa eine Stunde in Anspruch. Yonathan hatte ungeduldig zum Aufbruch gedrängt und so rannte Garmok bald mit mächtigen Flügelschlägen über den Wüstensand und erhob sich in den wolkenlosen Himmel.
Auf dem Weg von Gan Mischpad nach Abbadon hatte der Drache den Cedan dreimal überflogen, da der Strom beständig seinen Lauf änderte. Die jetzige Flugroute führte über endlose Meilen glühend heißen Wüstensandes. Hier gab es nicht das geringste Leben; zu Recht trug das einst von Yehwoh verfluchte Land den Namen Mara, was in der Sprache der Schöpfung »bitter« bedeutet.
Gegen Abend, als die Schatten länger wurden, drangen die Gedanken Garmoks zu Yonathan: »Cedanor liegt vor uns.«
Aber irgendetwas beunruhigte den Drachen. »Ich spüre, dass du noch etwas anderes siehst, Garmok. Was ist es?«
»Ein Brand überzieht die Stadt.«
»Feuer?«
»An mehreren Stellen.«
Yonathan wühlte sich zum Rand seines Transportsacks hoch und hielt den Kopf in den Gegenwind. Sofort erkannte er, was Garmok meinte. In den Außenbezirken der Stadt, von Nordwesten bis nach Südosten hin, standen viele Häuser in Flammen. Zudem bombardierten unzählige Flugwesen, die überdimensionalen schwarzen Rochen glichen, die Menschen in den Straßen mit Felsbrocken. Auf dem Cedan schwammen Schiffe mit schwarzen Segeln wie hässliche Wasserkäfer und vor den Mauern der Stadt tobte ein erbitterter Kampf. Selbst aus großer Höhe war nicht zu übersehen, welchen grauenvollen Preis diese
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