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Isau, Ralf - Neschan 03

Titel: Isau, Ralf - Neschan 03 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lied der Befreiung Neschans Das
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gegen das Auge versagen.
    Schon der Gedanke, dass seine Gefährten nicht allzu weit weg waren, stärkte seine Entschlossenheit. Mittlerweile war er durch die Höhle der Salzkristalle geschritten und bei dem vergessenen unterirdischen Fluss angelangt, dessen Ursprung irgendwo, viele hundert Meilen entfernt, im Drachengebirge lag. Er spähte nach rechts. Das Wasser strömte in die große, aus gewachsenem Fels bestehende Halle durch eine Art Tunnel im Fels. Ganz hinten konnte er ein rotes Glühen ausmachen. Das Auge strahlte heller als vor drei Jahren. Es erwartete ihn.
    Yonathan umgab sich mit der blau leuchtenden Aura des Stabes. Sofort spürte er die Anstrengung, die ihm allein diese Schutzmaßnahme abverlangte. Er hatte sich von den Strapazen des Vormittags noch lange nicht erholt. Mit unguten Ahnungen setzte er den Fuß in das Wasser des Flusses. Der Mantel aus Licht hielt zwar die eisige Kälte ab, aber Yonathan wusste auch, dass er sich mit Hilfe des Koach nicht in einen Fisch verwandeln konnte, um gegen die starke Strömung anzuschwimmen. Wenn also der Fluss schmaler und damit reißender werden würde, drohten ihm ernsthafte Schwierigkeiten.
    Zunächst jedoch sah es so aus, als ginge alles glatt. Nachdem er von der Salzkristallhöhle aus in die Felsröhre gewatet war, die der Fluss aus dem Gestein gewaschen hatte – das Wasser ging ihm hier ungefähr bis zur Hüfte –, entdeckte er rechter Hand an der Gewölbewand einen etwa vier Fuß breiten Steg, der ihm das Weiterkommen erleichtern würde. Diesen Weg mussten vor gut zweihundert Jahren bei einer anderen Schlacht gegen Temánah die Verteidiger Cedanors genommen haben, um in den Rücken der Belagerer zu gelangen.
    Wenig später erreichte Yonathan eine Stelle, an der das Flussbett einen leichten Linksknick machte. Als er der Biegung folgte, schwollen die Geräusche des Wassers mit einem Mal heftig an. Auch das karminrote Licht strahlte heller und das ihm bereits vertraute Verlangen einfach umzukehren und davonzulaufen, wurde stärker – wenn Haschevets Aura es auch dämpfte. Das Auge hatte den Kampf aufgenommen.
    Bei der nächsten Biegung geriet Yonathans Fuß ins Stocken, sein Puls beschleunigte sich. Im rötlichen Licht erkannte er, dass der Steg nur wenige Ellen voraus von Wasser überspült wurde. Es war aber nicht die Aussicht auf ein neuerliches Fußbad, die ihn beunruhigte, sondern ein seltsames Phänomen: Der Fluss schien zu steigen. Er wagte sich etwas weiter vor. Tatsächlich! Mit jedem Schritt in Richtung des roten Glühens stieg der Pegel. Der Pfad neigte sich nicht einfach in den Fluss, sondern das Wasser selbst kletterte, sobald er weiterging. Er konnte es ganz deutlich sehen, wenn er sich umdrehte. Da, wo der Fluss eben noch kaum die Tunnelwände benetzt hatte, war er jetzt genauso hoch wie an der Stelle, wo Yonathan gerade stand. Er ging ein Stück zurück und fand sich in seiner Vermutung bestätigt: Das Wasser sank wieder.
    »Ich habe dich gut verstanden«, murmelte Yonathan. »Es ist eine Warnung: ›Gehst du weiter, steht dir das Wasser bald bis zum Hals, drehst du aber um, dann wird dir nichts passieren.‹« Er kehrte um.
    Yonathan wusste, dass weder Bar-Hazzat noch seine übernatürlichen Diener in der Lage waren die Gedanken eines Menschen zu lesen. Sein Handeln musste daher wie ein Rückzug wirken. Sollten sie es nur glauben. Er brauchte einen Moment der Ruhe, um nachdenken zu können. Hinter der ersten Biegung blieb er stehen. Der Steg war hier ebenfalls nass – ein sicheres Zeichen dafür, dass der Fluss tatsächlich im ganzen Tunnel angestiegen war. Er atmete tief durch. Ein Stoßgebet. Dann überlegte er, was er tun konnte.
    Die Aura des Stabes würde, sollte er untertauchen, einen Luftvorrat für höchstens drei oder vier Atemzüge gewährleisten können. Doch wo befand sich das Auge eigentlich? Wie schon im Schwarzen Tempel, einige Stunden zuvor, schickte er seinen Geist auf Erkundung aus. Nach kurzer Zeit hatte er festgestellt, dass es bis zum Auge gar nicht so weit war. Er schätzte die Entfernung auf etwa einen Bogenschuss. Der Wandernde Sinn verriet ihm, dass sich einige Biegungen weiter eine andere Höhle öffnete. Mitten aus dem Wasser ragte dort ein Felssockel auf, in dem oben eine Mulde eingegraben war. Und in dieser Vertiefung ruhte der unheilvolle Bannstein.
    Jeder Schritt auf das Auge zu würde den Wasserspiegel ansteigen lassen. Er überlegte, ob er die Höhlendecke über dem Karminstein einfach einstürzen lassen

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