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Isau, Ralf - Neschan 03

Titel: Isau, Ralf - Neschan 03 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lied der Befreiung Neschans Das
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ein verwirrendes Geflecht aus Spalten und Schächten, das sich verborgen unter der Stadt des Lichts hinzog, wurde mit Urgewalt eine sprudelnde, dampfende Flut gepresst. Überall in der Stadt schossen karminrote Fontänen aus dem Boden. Wie klaffende Wunden spien Brunnen das Wasser zum Himmel empor. Die Menschen vergaßen die Schlacht, die vor den Toren tobte, und blickten entsetzt auf die blutende Erde. Innerhalb und außerhalb der Stadtmauern erhob sich ein vielstimmiges Geschrei – drinnen zunächst hervorgerufen durch den Schrecken, der aber bald vom Jubel abgelöst wurde; draußen herrschte blankes Entsetzen, weil der lockende Ruf aus dem Innern der Stadt plötzlich verstummt und dem Todesschmerz gewichen war.
    Yonathan wusste von alldem nichts. Zum zweiten Mal an diesem Tag hatte er jede Kontrolle über seinen Körper verloren. Die Wucht der Explosion sprengte die Felsmassen, mit denen er den Tunnel verstopft hatte, wie einen Korken heraus und das Wasser riss alles mit sich: Geröll, Felsbrocken und einen Menschen…
    Nur das letzte Glimmen der Aura hatte verhindern können, dass Yonathans Leib zerschmettert wurde. Seine Freunde fanden ihn am Rande des Salzsees, in den der vergessene Fluss mündete. Yonathan war bei Besinnung – trotz seiner völligen Erschöpfung.
    »Langsam lerne ich mit den Augen umzugehen«, lallte Yonathan, als Gimbar ihn vorsichtig aufrichtete.
    »Noch ein paar solcher Versuche und du schaffst es wirklich dich umzubringen.«
    »Aber ich bin bei Bewusstsein!«
    »Darunter verstehe ich etwas anderes.«
    »Aber schau mich doch an…!«
    »Lieber nicht. Ich könnte einen Weinkrampf bekommen.«
    »Sehe ich wirklich so schlimm aus?«
    »Schlimmer, Yonathan«, mischte sich Yomis besorgte Stimme ein. »Unheimlich viel schlimmer!«
    Yonathan drehte den Kopf seinem strohblonden Freund zu und seufzte. »Na gut. Wenn ihr alle dieser Meinung seid, dann werde ich mir etwas mehr Ruhe gönnen, bis ich – wie nannte das Gimbar doch eben? – den nächsten Versuch unternehme.«

XIV.

Stumme Wächter
      
      
    Zwei Stunden vor Mittag erwachte er. Jemand hatte seine Hand ergriffen und es war unmöglich gewesen sie dem festen Griff zu entwinden. Als er die Augen öffnete, sah er Bithya neben dem Bett sitzen. Sie wirkte sehr müde. Aber sie lächelte.
    »Ich wollte nur schauen, ob du noch lebst«, sagte eine Stimme, die nicht ihr gehörte.
    Yonathan drehte den Kopf zur anderen Seite und blickte in Gimbars Grinsen. »Natürlich lebe ich noch.« Er verzog das Gesicht zu einer schmerzerfüllten Grimasse und fasste sich an die Schläfe.
    »Als selbstverständlich würde ich das allerdings nicht bezeichnen.«
    Yomis zerzauster Haarschopf schob sich in Yonathans Gesichtsfeld. »Wir kommen, um dich zur Krönung des neuen Kaisers abzuholen.«
    »Felin?«
    »Woher wusstest du das?«
    »Hört schon auf, mich wie einen bettlägerigen alten Mann zu behandeln. Wie lange habe ich geschlafen?«
    »Mindestens zwölf Stunden«, antwortete Yomi. »Heute früh, bei Sonnenaufgang, wurde Bomas in der kaiserlichen Familiengruft beigesetzt, aber Felin bestand darauf, dich ruhen zu lassen.«
    »Was ist mit Garmok?«
    »Er hat gestern die Ostseite des kaiserlichen Rosengartens abgegrast. Jetzt ist er gerade mit der Westseite beschäftigt.«
    »Gut. Ich weiß von Garmok, dass er spätestens morgen früh nach Har-Liwjathan zurückfliegen will; er muss vor Ablauf einer Woche das Wasser des Akeldama-Sees trinken, sonst stirbt er. Das heißt, wir haben nur den heutigen Tag – genau genommen sogar nur die Hälfte davon –, um uns von ihm nach Norden tragen zu lassen.«
    »Siehst du«, sagte Gimbar zu Yomi. »Ich hatte dir doch gesagt, dass er noch nicht bei Verstand sein würde.«
    »Es ist mein Ernst«, entgegnete Yonathan.
    »Du musst dich ausruhen, Yonathan. Sonst fällst du mit einem Mal tot um, ehe du es bemerkst. Ich werde auf keinen Fall zulassen, dass du schon wieder auf Augenjagd gehst, bevor du dich nicht ausgeruht hast.«
    Yonathan überlegte, ob Gimbar dazu fähig sein könnte sich auf ihn zu stürzen und ihn ans Bett zu fesseln; verbissen und grimmig genug sah er auf jeden Fall aus. »Also gut«, lenkte er ein. »Schließen wir einen Handel.«
    »Für ein gutes Geschäft bin ich immer zu haben«, antwortete Gimbar. Sein Gesicht war nun ausdruckslos – einmal abgesehen von der zuckenden Nasenspitze.
    Yonathan richtete sich im Bett auf, atmete tief durch und erklärte: »Es wäre wirklich dumm die Möglichkeit

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