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Isau, Ralf - Neschan 03

Titel: Isau, Ralf - Neschan 03 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lied der Befreiung Neschans Das
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ab. Jeder normale Mensch wäre schon beim ersten Kontakt mit den durchscheinenden Hütern des Auges geflohen, jeder Held wäre dem Wahnsinn verfallen. Yonathan wusste, dass in diesem Kampf nicht er selbst zählte. Weder sein Wissen noch seine Kraft konnten ihm helfen. Einzig das Vertrauen in die Macht Yehwohs und der beharrliche Wille sich nicht von dem Koach trennen zu lassen halfen ihm in diesem Chaos zu bestehen.
    Dann erreichte das Wasser sein Kinn, die Strömung drohte ihn von den Füßen zu reißen. Ein letzter Blick verriet ihm, dass es höchstens noch fünfzig Fuß bis zu dem Auge in der nächsten Höhle waren. Er konnte den Felssockel aus der Gischt aufragen sehen, oben das karminrote Strahlen. Näher würde er nicht herankommen können, nicht auf seinen eigenen Füßen.
    Yonathan drehte sich um, schätzte noch einmal die Entfernung und jagte einen blauen Kugelblitz den Tunnel hinab. Etwa dreißig Fuß weiter explodierte die Höhlendecke, gerade weit genug, genau zum richtigen Zeitpunkt.
    Wie in einem gewaltigen Aufbäumen presste der Fluss die letzte Luft aus dem Tunnel, schleuderte das Wasser gegen den Stabträger. Aber hinter Yonathan hatte sich unvermittelt ein Hindernis aufgetürmt – die eingestürzte Decke verstopfte das Flussbett. So konnte der Strom seinen Weg nicht fortsetzen und machte unverrichteter Dinge kehrt.
    Die zurückschlagende Welle packte Yonathan und trug ihn genau auf das Auge zu. Er wirbelte herum, wusste nicht, wo oben und unten war. Nur die Aura des Stabes verhinderte, dass sein Körper an Klippen und Felsen zerschunden wurde. Die Luft ging ihm aus. Er entzog dem gleißenden Mantel den ersten Atemzug.
    Das nachschießende Wasser füllte schnell den gesamten Höhlenraum sowohl in der Breite als auch in der Höhe aus, die Strömung riss ab. Yonathan schwebte unter Wasser inmitten eines Sees, der von einem gespenstischen roten Licht erleuchtet wurde.
    Grimmige Befriedigung erfüllte ihn, sein Plan war aufgegangen. Er hatte das Auge in die Enge getrieben und jetzt zeigte es ihm wie ein Leuchtturm sogar noch die Richtung an. Er füllte seine Lungen wieder mit Sauerstoff.
    Mit ausgreifenden Bewegungen bahnte er sich seinen Weg durch Wasser und wabernde Verteidiger. Die Visionen der Quallenwesen hatten an Schrecklichkeit verloren und ihre Zahl nahm immer weiter ab. Yonathan ahnte, dass er es hier in Wirklichkeit mit einem einzigen Hüter zu tun hatte, der sich nun vielleicht für den alles entscheidenden Angriff »sammelte«. Auch er, Yonathan, mobilisierte die letzten Kräfte, schnappte noch einmal nach Luft.
    Endlich erreichte er den Sockel des Auges. In seinen Ohren hämmerte der eigene Herzschlag, rauschte das eigene Blut. Er fühlte sich schwindlig, sog das letzte Quantum kostbarer Atemluft aus seinem flirrenden Schutz. Mit großer Anstrengung holte er aus; der Knauf des Stabes schwang gegen den Widerstand des Wassers über seinen Rücken langsam nach hinten. Da begann vor seinen Augen der Bannstein zu verschwimmen. Er kniff die Lider zusammen, schüttelte den Kopf und fixierte das Ziel erneut. Zu seiner Beunruhigung sah Yonathan jetzt zwei glühende Steine. Verzweifelt ließ er das Kopfstück des Stabes nach vorne gleiten – und traf nur das Trugbild.
    Der Schwung des Hiebes hätte ihn beinahe kopfunter gewirbelt. Seine Glieder waren schwer wie Blei. Er fühlte sich unendlich müde. Noch einmal überwand er die Kraftlosigkeit, ignorierte das Schmerzen seines Körpers. Rudernd brachte er sich erneut in eine aufrechte Position. Doch welches der vier oder fünf Augen, die er inzwischen sah, sollte er angreifen? Wieder schloss er die Lider. Goel hatte ihn einst gelehrt, sich nicht vom Äußeren täuschen zu lassen: »Auge und Ohr sind sehr leichtgläubig, Geschan.«
    Yonathan verwandte einen Teil seiner kostbaren Energie für die Kraft der Bewegung. »Schau in dich hinein. Folge deinem Gefühl – erinnere dich an das, was du von mir gelernt hast.« Goel war ein guter Lehrer. In einem Halbkreis tasteten Yonathans unsichtbare Fühler das Terrain vor ihm ab. Dann stießen sie gegen das Hindernis.
    Längst war der Stab wieder zurückgeschwungen. Yonathan wusste, dass er nur noch diesen einen Versuch hatte. Die Luft war verbraucht. Wenn er sein Ziel verfehlte, würde ihm keine Kraft für einen weiteren Hieb bleiben.
    Der goldene Knauf rauschte durchs Wasser. Als er das Auge traf, wurden die Grundfesten des Palastberges erschüttert. In ein kompliziertes System aus Gängen und Wasseradern,

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