Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Isau, Ralf - Neschan 03

Titel: Isau, Ralf - Neschan 03 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lied der Befreiung Neschans Das
Vom Netzwerk:
könnte, verwarf diesen Gedanken aber. Es war zu unsicher. Vielleicht würde der rot leuchtende Stein überleben. Nein, er musste das Auge eigenhändig zerstören.
    Schließlich entschied sich Yonathan für einen Plan, der ihm gewiss die einhelligen Proteste seiner Freunde eingetragen hätte. Aber die waren oben, warteten in einer vergleichsweise trockenen Kerkerzelle. Hier unten musste er allein klarkommen. Er drehte um und marschierte wieder auf das Auge zu.
    Nach der zweiten Biegung begann der Pfad erneut zu versinken. Das Wasser kroch an Yonathans Beinen empor, gemächlich und sachte, wie eine Schlange auf dem Weg zu ihrer Beute. Bald hatte es seine Taille erreicht und stieg unaufhörlich weiter. Auch die Strömung schien zuzunehmen, stemmte sich immer stärker gegen ihn. Trotzdem war die Gegenwehr des Auges bis zu diesem Zeitpunkt noch eher halbherzig ausgefallen und in keiner Weise überraschend gewesen. Als der Fluss ihm bis zur Brust reichte, erfolgte der eigentliche Angriff.
    Plötzlich formte sich vor Yonathans Augen eine Hand aus dem Wasser. Durchsichtig wie Glas, nur von einigen sprudelnden Luftbläschen durchsetzt, griff die Klaue nach ihm. Geistesgegenwärtig warf er sich zur Seite und schlug mit dem Stab nach der Erscheinung.
    Im Moment des Untertauchens sah er eine unheimliche Gestalt, einen flüchtigen Schemen. Durch das aufgewirbelte Flusswasser hatte er jedoch nur einen vagen Eindruck von dem durchscheinenden Körper gewinnen können. Im bläulichen Leuchten seines Schutzschirms glaubte er dicke Tentakel wie von einem riesigen Kraken zu erkennen. Darüber schien sich ein beinahe menschlicher Oberkörper mit Armen zu befinden. Irritierend war nur das Fehlen des Kopfes. Während Yonathan wieder an die Wasseroberfläche strebte, um nach Luft zu schnappen, bemerkte er noch, wie das durchsichtige Wesen in Tausende feiner Bläschen zerstob. Der Stab hatte es zerstört. Doch nur, wie er zu seinem Entsetzen feststellen musste, um zwei weitere hervorzubringen.
    Schon wieder tauchten langfingrige, sprudelnde Hände auf, die nach ihm tasteten – diesmal vier an der Zahl. Abermals schlug er mit dem Stab nach den beiden Angreifern, erneut lösten sie sich in einen Schwarm feiner Blasen auf. Jetzt stieg auch wieder der Wasserpegel, obwohl sich Yonathan keinen Fuß vorwärtsbewegt hatte.
    Wie Quallen waberten nun vier Gestalten im Wasser, acht Krallenhände suchten nach ihm. Die Situation war nur noch schwer zu überschauen. Wild hieb er mit dem Stab um sich. Wieder vergingen die Angreifer als glitzernde Kügelchen, die der immer reißender werdende Strom fortzerrte, nur um acht andere Wasserwesen entstehen zu lassen.
    Yonathan wusste, dass er diesen Kampf nicht mehr lange durchhalten konnte. Mit jedem besiegten Gegner standen zwei neue auf und jede der von Haschevet zerteilten Kreaturen ließ die Wassermenge anwachsen und verstärkte die Strömung. Es gab nur einen Weg dem Auge näher zu kommen.
    Haschevets Aura strahlte plötzlich intensiver. Es war ein gefährliches Spiel mit den Kraftreserven, die ihm noch verblieben, aber Yonathan ahnte, dass er dem Ansturm des Auges nicht durch unbeugsamen Widerstand begegnen konnte. Er musste die Wasserwesen an sich heranlassen, während er weiter voranschritt, musste sich biegen wie ein Schilfrohr im Sturm, ohne dabei den Halt zu verlieren.
    Als die erste Quallengestalt Yonathans Lichtschild berührte, flammte dieser auf. Ein Netz weißblauer Adern zerrte an der Aura. Sie hielt dem Angriff stand, aber Yonathan erschrak, als sich ein riesiges, zähnefletschendes Unwesen vor ihm materialisierte. Es riss einen zahngespickten Rachen auf, um ihn zu verschlingen, verschwand aber ebenso plötzlich, wie es erschienen war.
    Yonathan keuchte vor Erleichterung und vor Anstrengung; die Abwehr der Erscheinung hatte Kraft gekostet. Er kämpfte sich weiter durch die Strömung voran.
    Die nächsten Zusammenstöße mit den vergänglichen Kontrahenten verliefen kaum weniger dramatisch. Jeder von ihnen rief neue Visionen hervor, nicht nur grauenhafte Kreaturen, sondern alles, was einen Menschen in Entsetzen stürzen kann: Mal glaubte Yonathan von einem Schwarm Hornissen angegriffen zu werden, dann wieder drängte sich ihm der Eindruck auf, sein Körper würde an Ort und Stelle verwesen – ein Auge rollte ihm aus der Höhle und fiel ins Wasser, auch eine Hand machte sich selbständig. Er ließ seinen Willen fortgesetzt in den Stab strömen und jedes Mal schüttelte er die Trugbilder wieder

Weitere Kostenlose Bücher