Isau, Ralf - Neschan 03
verschlagen hatte.
Yonathan runzelte die Stirn. »Was soll denn das nun schon wieder heißen?«
»Na ja: Riesenschnecken, wabernde Traumfelder…«
»Ja? Und was noch?«
»Du weißt schon, was ich meine.«
»Du meinst kletterwütige Seeleute, neschanische Richter, biegsame Behmische, Feuer spuckende Drachen und ehemalige Piraten?«
»Vergiss, was ich gesagt habe.«
»Jedenfalls werden wir uns unheimlich nasse Füße holen, um an Bord der Weltwind zu kommen«, meldete sich Yomi wieder.
»So schlimm wird es nicht werden, Kleines«, sagte Din-Mikkith und wandte sich an Yonathan: »Könntest du den Keim hervorholen?«
»Du willst mit Rakk-Semilath reden?«
»Wir zusammen werden es tun. Schließlich hast du das Traumfeld gerufen; ich war dir dabei nur behilflich.«
Yonathan und Din-Mikkith standen sich gegenüber und umfassten den grün schimmernden Keim mit ihren ungleichen Händen. Das Gespräch, das sie nun führten, war für Yomi und Gimbar nicht zu hören.
»Galal, bist du da?«
»Natürlich bin ich da.«
Yonathan atmete auf. Die Verständigung zwischen ihm und dem Traumfeld basierte nicht auf dem Austausch von Lauten, also der Sprache. Sie bediente sich einer tieferen Ebene des Verstehens, eines Stroms von Eindrücken, Bildern, Farben und anderem mehr. Er hatte nicht verlernt sie zu gebrauchen.
»Ich freue mich dich zu sehen.«
»Wie sehe ich denn aus?«
»Gut. Sehr gut! Und ziemlich grün.«
»Was ist grün?«
»Ich habe dir jemanden mitgebracht, Galal. Du erinnerst dich doch? Als wir uns das erste Mal trafen, fragtest du mich, ob wir ihn besuchen würden, und ich sagte, dass es nicht möglich sei, weil wir zunächst nach Cedanor reisen müssten.«
»Natürlich weiß ich das noch. Du bist wirklich lieb, Yonathan. Die ganze Zeit habe ich mich schon auf ihn gefreut. Er ist bei dir, nicht? Ich spüre ihn.«
»Ich bin hier, Rakk-Semilath. Auch für mich ist es eine große Freude.« Din-Mikkiths Gedanken waren wie in weiche Farben getaucht, wie Töne voll von Zuneigung und Ehrfurcht.
»Fast hatte ich befürchtet nie mehr einen von euch über das Meer tragen zu können. Die Schiffsmenschen auf meinem Rücken sind nicht so nett wie die Behmische.«
»Ich hoffe, es geht der Besatzung gut?«, fragte Yonathan besorgt.
»Sie mögen mich nicht. Aber ich habe sie trotzdem noch nicht ersäuft. Weil du mich darum gebeten hattest.«
»Das ist wirklich sehr anständig von dir, Galal.«
»Schon gut.«
»Galal?«
»Ja?«
»Kannst du ganz dicht ans Ufer heranschwimmen, damit wir zu dir übersetzen können?«
»Na klar. Wenn ich nicht hängen bleibe.«
Galal schaffte es. Das inselgroße Geschöpf – von dem Yonathan nie erfahren sollte, ob es nun ein einziges Lebewesen war oder aber aus einer Zweckgemeinschaft von vielen bestand, die mit einer »Stimme« sprachen – trieb langsam auf den felsigen Strand zu. In Gedanken gab Yonathan Gimbar Recht, denn das sich nähernde Traumfeld sah wirklich »schleimig« aus. Eine gallertartige, zähe Masse, die ihre Form beliebig ändern konnte, erstreckte sich über eine ausgedehnte Meeresfläche und vollzog jede Hebung und Senkung des Wellengangs mit. Sie leuchtete in einem phosphoreszierenden grünlichen Licht, einem riesigen Schwarm von Glühwürmchen gleichend, die sich auf die See herabgesenkt hatten.
Als die äußeren Körperpartien Galals an den Strand flossen, verdeckten sie die schroffen Felsbrocken, die das Bild der Küstenlinie bestimmten. Yonathan und seine Gefährten konnten wie auf einem weichen Teppich auf das Meer hinausgehen, direkt auf die Weltwind zu. Kaum waren sie dem großen Dreimaster nahe genug, ertönte auch schon eine knarrige Stimme von der Reling her.
»Yomi? Bist du das?«
»Wieso? Hast du noch eine Verabredung mit einem anderen, Vater?«
Kaldeks Antwort wurde von einem gewaltigen Jubelschwall ertränkt. Über Wochen hinweg hatten Ungewissheit und unterschiedlichste Befürchtungen die Männer der Weltwind in Anspannung gehalten. Doch jetzt fiel all das in einem einzigen Augenblick von ihnen ab.
»Gott sei Dank!«, brachte der Kapitän endlich hervor. »Wir hatten schon befürchtet, euch sei etwas zugestoßen. Und jetzt, als wir plötzlich vier statt der erwarteten drei Personen kommen sahen, dachten wir schon, Bar-Hazzat schicke uns ein paar seiner schwarzen Gespenster vorbei.«
»Keine Angst, Kaldek«, antwortete Yonathan an Yomis Stelle. »Vorerst bleibt Euch eine solche Begegnung erspart. Aber wie wär’s, wenn Ihr uns erst
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