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Isau, Ralf - Neschan 03

Titel: Isau, Ralf - Neschan 03 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lied der Befreiung Neschans Das
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zu halten, aber so…
    Jeder füllte die Zeit des Wartens auf seine Weise. Manche saßen nur tatenlos herum oder beschäftigten sich mit Brettspielen. Yonathan verbrachte viele Stunden im Gespräch mit seinen Freunden. Meist waren es ruhige Unterhaltungen über das, was vor ihnen lag. Selten hörte man ein lautes Lachen an Bord. Wenn die Stille an Deck einmal allzu bedrückend wurde, griff Yonathan zu seiner Flöte und schuf ein zartes Gespinst aus Tönen, das die Weltwind einhüllte und die Herzen der Seeleute umfing. Bisweilen saß aber auch er einfach nur faul in der Sonne und grübelte – über seinen Auftrag, seine Rolle in diesem Kampf übernatürlicher Gewalten, und wenn er nicht mehr weiterwusste, dachte er an Bithya. Was tat sie wohl gerade in diesem Moment, dieses energische Mädchen, das ihn nicht hatte gehen lassen wollen? Dachte sie an ihn, der jeden Tag ihr Bild vor seinem geistigen Auge hatte? So gewaltig, so wichtig Yonathans Aufgabe auch war, er freute sich schon sehr auf den Tag, da er wieder Bithyas Hände in den seinen spüren würde.
    Als am Morgen der Ausguck die Wolkensäule gemeldet hatte, war der Jubel eher verhalten gewesen. Die über Tage hinweg aufgestaute Spannung wollte sich nicht lösen. Vielleicht lag es daran, dass niemand recht wusste, wie man mit einer Legende umgehen sollte, die plötzlich Wirklichkeit geworden war. Was würde Schiff und Besatzung erwarten, dort, wo der Weltwind entsprang?
    »Es ist wie eine Heimkehr: Die Weltwind kommt zu ihrem Ursprung zurück.« Kaldeks knarrige Stimme klang erstaunlich weich.
    »Ich glaube kaum, dass es auf der Vergessenen Insel eine Schiffswerft gibt, Kapitän«, zweifelte Gimbar.
    Kaldek bedachte den Expiraten mit einem tadelnden Blick. »So hatte ich es auch nicht gemeint.« Dann wandte er sich Yonathan zu. »Was meint Ihr, sollen wir erst einmal Kurs um die Insel herum nehmen?«
    Yonathan schüttelte den Kopf. »Ich möchte mich nicht länger dort aufhalten als unbedingt nötig. Lasst uns eine geeignete Stelle zum Anlegen suchen, die dem Vulkan möglichst nahe liegt. Sobald ich die zwei Dinge erledigt habe, die dort auf mich warten, lichten wir wieder die Anker und nehmen Kurs auf Gedor.«
    »Mir scheint, Ihr seid Euch ziemlich sicher, was Euch dort erwarten wird?«
    Yonathan zuckte mit den Achseln. »Es ist so eine Art Gefühl… Ich kann es schwer beschreiben. Jedenfalls hat es mich in letzter Zeit selten im Stich gelassen.«
    »Sagtest du nicht eben, dass du zwei Dinge auf der Insel erledigen musst?«, mischte sich Yomi ein.
    »Genau: Erstens muss ich das fünfte Auge zerstören und zweitens… es ist noch zu früh, um darüber zu sprechen.«
    »Kann es sein, dass es etwas mit mir zu tun hat, Kleines?«, hakte Din-Mikkith nach. Er hockte auf den Decksplanken, mit dem Rücken an den Kreuzmast gelehnt, und hatte die Beine auf verwirrende Weise ineinander verschlungen.
    Yonathan lächelte geheimnisvoll. »Du hast Recht. Wir haben uns bereits über diesen Punkt unterhalten. Aber ich möchte es trotzdem vorerst dabei bewenden lassen.«
    Mit jeder Meile, die sich das Schiff der Vergessenen Insel näherte, zeichneten sich ihre Konturen deutlicher vor dem Horizont ab. Und mit jeder Welle, die Galal durchschnitt, wuchs das Unbehagen der Besatzung.
    Der Kegel des Vulkans war unübersehbar; nicht nur wegen seiner Größe – er überragte die ganze Insel –, sondern vor allem wegen der Wolkensäule, die ihm entsprang. Je näher der Berg heranrückte, umso stärker wurde das rötliche Glühen, das den wabernden Nebel dicht über der abgeflachten Kuppe erhellte, ein krankes, karminrotes Leuchten.
    Das Auge weiß, dass ich komme, dachte Yonathan. Es hat allen Grund ängstlich zu leuchten. Seine Stunden sind gezählt.
    Beinahe noch bedrückender als das Aussehen des gewaltigen Vulkans war jedoch etwas anderes: Die ganze Insel strahlte schneeweiß. In nördlichen Gewässern hätte dieser Anblick niemanden erschreckt – aber hier, so weit im Süden? Zweitausend Meilen weiter östlich, auf derselben Breite, lag die Wüste Mara, ein Glutofen. Und hier gab es eine Insel aus Eis!
    Yomi murmelte neben Yonathan: »Irgendwie unheimlich.«
    »Kein Wunder, dass die Behmische es damals so eilig hatten von der Insel zu fliehen«, sagte Gimbar.
    »Das ist nah genug!«, sandte Yonathan seine Gedanken aus.
    »Ich kann aber noch näher«, antwortete Galal.
    »Ich möchte die Weltwind keiner unnötigen Gefahr aussetzen. Ich traue dieser Insel nicht.«
    Das Traumfeld

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