Isau, Ralf - Neschan 03
Arm – seine Hand hielt dabei den Stab Haschevet umklammert – und rief: »Ich verfluche dich im Namen Yehwohs. Dieser Ort sei mein Zeuge dafür.«
Nur Yonathans Augen sahen, was dann geschah. Auf dem Schlachtfeld unter ihm loderten zahlreiche Flämmchen empor, kleine blaue Feuerzungen. Schnell nahmen diese übernatürlichen Flammen an Größe zu, flossen zusammen, verbanden sich, und schon wenige Augenblicke später erhob sich eine gewaltige Feuersäule aus den beiden Lagern. Da, wo eben noch die Dunkelheit geherrscht hatte, schoss eine gleißend blaue Lohe in den Himmel. Sie fraß die Zelte, die Toten, Dolche und Lanzen und schließlich sogar das Erdreich und den blanken Fels.
Noch im Umkreis von mehreren Tagereisen hörten in dieser Nacht vereinzelte Nomadengruppen ein unheimliches Geräusch. Es klang wie das Fauchen einer Furcht erregenden, wilden Bestie, die man niemals hätte aus ihrem Schlaf reißen dürfen.
»So etwas habe ich noch nie gesehen!«, rief Lilith erstaunt. »Es wirkt wie blaues Glas oder ein ultramarinfarbener Edelstein.«
»Nur dass Schmuckstücke dieser Art für gewöhnlich nicht so groß sind wie ein ganzes Nomadenlager«, schränkte Gimbar ein.
»Oder wie zwei kleinere«, entgegnete Yamina, während sie Yonathan fest anblickte.
Der zuckte nur mit den Schultern und meinte: »Die Welt ist voll von unerklärlichen Phänomenen. Dieser Ort würde den Squaks gefallen – sie lieben farbige Naturspektakel!«
»Seltsam«, murmelte Lilith. Obwohl sie sehr leise sprach, wandten sich alle ihr zu. »Die Farbe erinnert mich an mein Hochzeitsgewand. Ich kann mir nicht erklären, warum, aber ich finde Trost, wenn ich auf diese blaue Fläche hinabschaue.«
Yonathan gab Yamina immer neue Rätsel auf. Erst am frühen Morgen hatte er sie überrascht. Niemand außer Lilith hatte in dieser Nacht gut geschlafen, und so waren alle schon in der ersten Dämmerung aufgestanden. Yonathan packte schweigend seine Sachen. Doch plötzlich verkündete er mit ernster Miene: »Lilith soll nicht auf die Almosen anderer angewiesen sein, wenn sie von hier fortgeht. Wer weiß, wie es in diesen Zeiten um das Mitgefühl ihrer Stammesangehörigen bestellt ist. Sag, Yamina, welche Art von Besitz schätzen die Ostleute am meisten?«
»Ihre Herden. Je mehr Pferde jemand hat, umso bedeutender ist er.«
»Das dachte ich mir.« Yonathan nickte. Damit schien das Thema für ihn erledigt zu sein.
Yamina hatte noch gesehen, wie er das Lager verließ und einen seltsam geformten, grün funkelnden Stein in seinen Gürtelbeutel steckte. Doch sie hatte dieser Beobachtung keine besondere Bedeutung beigemessen.
Bald darauf trabte ein Steppenpferd in das Lager und blieb dicht bei Lilith stehen. Wenig später gesellten sich weitere hinzu; erst kamen sie vereinzelt, dann in Gruppen. Es dauerte nicht lange und die Targischiterin war von einer großen Herde struppiger Tiere umgeben. Manche stupften sie wie zur Begrüßung mit ihren weichen Schnauzen, andere blickten sie nur aus großen braunen Augen erwartungsvoll an.
»Es sind die Pferde, die vom Kampfeslärm vertrieben wurden«, sagte Yonathan nach seiner Rückkehr, als sei damit alles erklärt. »Findet ihr nicht, dass sie jetzt Lilith gehören sollten? Sie ist doch sozusagen die Erbin ihrer Sippe, oder?«
Yamina hatte nicht gewusst, was sie davon halten sollte. Genauso ging es ihr jetzt, als sie hörte, wie Lilith Trost aus der Farbe dieses seltsamen gläsernen Steines zog, der den Boden überall dort bedeckte, wo es gestern noch nur Verwüstung gegeben hatte. Irgendetwas hatte Yonathan mit all diesen Vorfällen zu tun, das wusste Yamina. Ein bestimmter Verdacht drängte sich ihr auf. Aber es war sicher noch zu früh ihren geheimnisvollen Begleiter mit dieser Vermutung zu konfrontieren. Ein wenig musste sie noch warten. So beschloss sie, sich zunächst um andere Dinge zu kümmern.
»Und du glaubst wirklich, du wirst den weiten Weg bis zu deinen Verwandten allein schaffen, Lilith?«
Das Mädchen, das sein Brautkleid inzwischen gegen bequeme Reisekleidung eingetauscht hatte, ließ den Blick nachdenklich über die zahlreichen Pferderücken schweifen, bevor es zuversichtlich antwortete: »Ich werde es schaffen, Yamina.« Lilith lächelte sogar. »Es ist seltsam, mir kommt es beinahe vor, als wäre ich die Leitstute dieser Herde, und was noch merkwürdiger ist: Die Pferde scheinen mich auch dafür zu halten.«
Liliths Gedanken waren gar nicht so abwegig. Yonathan hatte den grünen Keim
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