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Isau, Ralf - Neschan 03

Titel: Isau, Ralf - Neschan 03 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lied der Befreiung Neschans Das
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nun auch seine linke Hand den Stab Haschevet.
    »Ich sagte dir doch, rühr dich nicht!«, fauchte der Dolchschwinger. »Sonst muss ich dir die Kehle durchschneiden, noch ehe du mir verraten kannst, was euch beide hierher führt.«
    Jedes Wort war ernst gemeint. Das fühlte Yonathan. Auch wenn ihm dieses Verhalten keineswegs angemessen schien. Die kampferprobten Ostmänner waren für ihre Unerschrockenheit bekannt. Es stand sieben gegen zwei. Warum hatten sie nur solche panische Angst?
    Yonathans Geist nahm beunruhigende Signale wahr: Der Riese stand im Begriff durchzudrehen. Gerade gelangte er zu der Einsicht, dass es wohl das Beste sei, die beiden unberechenbaren Fremden in zwei berechenbare Leichen zu verwandeln.
    Einen Herzschlag lang kämpfte Yonathan mit sich selbst. Warum mussten sie gerade jetzt diesen Wirrköpfen in die Arme laufen? So dicht vor dem Ziel! Von einem Augenblick auf den anderen konnte alles zunichte sein, ihr Leben ausgelöscht und die Lösung der großen Aufgabe auf ewig verhindert. Eine unbändige Wut brandete in ihm auf. Wie einfach wäre es doch das Feuer Haschevets auf diese Tölpel herabzurufen und sie in sieben graue Häuflein Asche zu verwandeln!
    Aber dann formten sich Worte in seinem Geist: »Achte stets alles Leben.« Sein Vater hatte ihn das gelehrt. »Bekämpfe nie das Böse mit dem Bösen, sondern besiege es mit dem Guten«, hatte ihn einst Benel im heimatlichen Kitvar ermahnt. Und: »Bar-Hazzat versteht es, Dummheit, Stolz oder Machtgier in Hörigkeit zu verwandeln. Wer sich ihm ausliefert, der kann jede Kontrolle über den eigenen Willen verlieren.« Goels letzte Lektion.
    Die Erinnerung an diese eindringlichen Warnungen wirkte reinigend. Yonathan schüttelte den dunklen Bann aus falschem Zorn und Überheblichkeit ab, der ihn zu umfangen drohte. So schnell würde er sich nicht vor Bar-Hazzats Auge geschlagen geben.
    Doch Yonathan musste handeln. Der Ostmann ihm gegenüber war nun soweit, seinen wirren Entschluss in die Tat umzusetzen. Etwas in ihm verlangte nach Blut. Einen Herzschlag lang verharrte er aufs höchste angespannt. Dann entlud sich seine unheilvolle Energie: Eine dolchbewehrte Hand schnellte in die Höhe und – blieb abrupt in der Luft hängen.
    Yonathan hatte keine Zeit gehabt sich eine schonendere Methode auszudenken. Der Nomade starrte ihn aus weit aufgerissenen Augen an. Blankes Entsetzen hatte ihn gelähmt. Was er sah – zu sehen glaubte –, war die Verwandlung eines harmlosen Jünglings in eine alptraumhafte Bestie, ein zwanzig Fuß langes Wesen, eine grässliche Mischung aus Tiger, Fisch und Krokodil. Ein gewaltiges Maul, in dem zwei Reihen spitzer Zähne prangten, öffnete sich vor dem verängstigten Mann.
    Der Steppenkrieger vergaß sein Vorhaben, ließ den Dolch fallen und taumelte benommen rückwärts. Seine Gefährten waren ebenfalls zurückgewichen; auch sie hatten das Untier gesehen, das sich nun wieder in einen dunkelhaarigen, freundlich lächelnden jungen Mann verwandelte.
    »Wer seid Ihr?«, stammelte der Anführer.
    »Du warst schon immer ein dummer Tropf, San-Yahib«, antwortete eine Frauenstimme, noch ehe Yonathan zum Zuge kommen konnte. »Siehst du nicht den Stab in seiner Hand? Er ist Geschan, der siebte Richter von Neschan.«
    Neun Köpfe flogen herum. Ein bildhübsches Mädchen mit mandelförmigen Augen und nassen Haaren stand am Rande der Szene und wirkte ein wenig verärgert.
    »Yamina!«, krächzte Yonathan verblüfft. Er musste sich räuspern, um seine Sprache wiederzufinden. »Seit wann weißt du…?«
    »Sagen wir, seit Ihr vor einem Monat das Lager der Tirgischiter in einen Ultramarinfelsen verwandelt habt.«
    »Er hat was…?«, keuchte einer der Ostleute und sackte kraftlos zu Boden.
    »Na ja«, fügte Yamina hinzu, »wenn ich ehrlich bin, war es zunächst nur ein Verdacht. Aber Eure Reaktion zeigt mir, dass ich wohl Recht habe. Nicht wahr, ehrwürdiger Richter?«
    Yonathan hatte den Eindruck, Yaminas elegant ausgeführte Verbeugung sei mehr spöttisch als ehrerbietig gemeint. »Du kannst dir diese förmliche Anrede sparen«, brummte er.
    »Wie du willst, mein Besitzer.«
    Yonathan ignorierte sie und wandte sich missgelaunt wieder den Ostleuten zu. »Wie geht’s jetzt weiter? Wollt ihr uns immer noch umbringen?«
    »Das habe ich nie gesagt«, verteidigte sich der Hüne.
    »Nein, nur vom Kehledurchschneiden war die Rede. Aber lassen wir solche Haarspaltereien. Ihr sieben seid doch sicher nicht allein. Wo ist eure Sippe?«
    »Nicht

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