Isau, Ralf - Neschan 03
der Gartenstadt bleiben sollen. Sie liegt an der Grenze zu Gan Mischpad, dem einzig sicheren Ort auf ganz Neschan.«
»Ich bin hier, weil Gimbar kommen wird«, entgegnete Schelima fest. »Das weiß ich genau. Er ist mein Mann und ich möchte bei ihm sein.«
»Es gibt Dinge, die kann man nicht mit ihr diskutieren«, bemerkte Felin.
»Du hättest sie trotzdem nicht mitbringen sollen«, brummte Baltan. »Doch kommt mit ins Haus. Dort können wir alles besprechen.«
Wie erwartet, waren auch Kaldek und sein Adoptivsohn zu Gast in Baltans großzügigem Domizil. Yomi freute sich sehr den Prinzen wiederzutreffen. Felin wusste, dass Yonathan den schlaksigen, strohblonden Seemann besonders mochte, und auch er selbst hatte sich der unkomplizierten Art Yomis nie entziehen können.
Beim Abendessen erzählte Baltan, was sich in den vergangenen Monaten in Cedanor zugetragen hatte. Er selbst sei erst wieder seit zwei Jahren in der Stadt. Nachdem er damals Yonathan und seinen Gefährten zur Flucht aus dem Palast verholfen hatte, hielt er es für klüger dem »Thron des Himmels« eine Weile fernzubleiben. Er wollte nicht mit dem damaligen Komplott gegen den Kaiser in Verbindung gebracht werden, deshalb täuschte er eine längere Geschäftsreise vor.
Nach der Rückkehr schien alles den gewohnten Lauf zu nehmen. Ja, besser noch: Die Nachricht vom Erscheinen des siebten Richters brachte Licht in das Leben der Menschen. Jeder blickte hoffnungsvoll in die Zukunft und selbst Kaiser Zirgis respektierte die Stimmung im Volk und hielt sich mit Kritik am neuen Richter zurück. Baltan nahm seinen Platz als Ratgeber am Tisch des Kaisers wieder ein und die schwarzen Priester Temánahs mussten sich mit einer – leider nur zeitweiligen – Einschränkung ihrer unheilvollen Tätigkeit abfinden. Nach ein, zwei Jahren ließ die Begeisterung der Menschen nach, der Alltag kehrte zurück, und mit ihm auch die dunklen Gestalten auf den Straßen und Märkten des Reiches.
Am Hofe in Cedanor war eine Abordnung des Südlandes sogar die ganze Zeit geduldet worden. Er wolle Temánah nicht verärgern, hatte Kaiser Zirgis erklärt, aber Baltan fürchtete Schlimmeres. Nach dem Abendessen zog sich der Kaufmann mit Felin, Yomi und Kaldek in sein Arbeitszimmer zurück und offenbarte ihnen die ganze Wahrheit.
»Der Kaiser ist nicht mehr er selbst. Ich habe jeden Einfluss auf ihn verloren. Zirgis hat sich noch nie mit dem zufrieden gegeben, was er an Macht und Einfluss besaß. Er wollte immer noch mehr; das war ja auch der Grund, weswegen er vor drei Jahren Yonathan und den Stab Haschevet an den Kaiserpalast binden wollte. Aber jetzt ist sein Ehrgeiz zur Besessenheit geworden. Und dafür, so glaube ich, gibt es vor allem einen Grund.«
Die drei Gäste schauten ihn erwartungsvoll an.
»Ffarthor.«
»Ist das nicht der Botschafter, den Temánah damals, anlässlich des Thronjubiläums, an den Hof entsandte?«, erkundigte sich Felin.
»Richtig. Ffarthor gibt sich äußerlich als Mann des Ausgleichs. Er wolle den langen Zwist zwischen dem Südreich und den Ländern des Lichts beilegen helfen. Die beiden Reiche sollen voneinander profitieren, sodass künftige Generationen ohne Misstrauen in friedlichem Miteinander leben können. Das und noch einiges mehr soll er bei seinem Amtsantritt versprochen haben. Irgendwie ist es ihm gelungen das Vertrauen des Kaisers zu gewinnen.«
»Ich verstehe das trotzdem nicht. Man kann meinem Vater viel vorwerfen, aber nicht, dass er ein Dummkopf ist. Er muss doch erkennen, wessen Interessen Ffarthor wirklich verfolgt.«
»Wenn er noch einen eigenen Willen hätte, dann würde er es sicher.«
»Du willst doch nicht etwa andeuten, dass…?« Felin stockte.
»Genau das.« Baltan blickte grimmig in die Runde. »Ihre Eminenz Ffarthor von Gedor, wie er sich selbst nennt, ist inzwischen zum ersten Ratgeber des Kaisers aufgestiegen. Es hat alles damit angefangen, dass er eine angebliche Verschwörung gegen den Kaiser aufdeckte. Ausgerechnet Fürst Phequddath soll der Rädelsführer gewesen sein.«
»Phequddath? Der alte Zeremonienmeister? ‘Das glaube ich einfach nicht. Er war meinem Vater treu ergeben.«
»Niemand glaubte daran – außer Zirgis. Dein Vater hat Phequddath dem Scharfrichter übergeben, wenn auch nach einigem Zögern. Ursprünglich sollte der betagte Hofmarschall eigentlich nur verbannt werden, aber dann machte Ffarthor seinen Einfluss geltend. Es müsse endlich einmal ein Exempel statuiert werden, um die Stellung des
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