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Isau, Ralf - Neschan 03

Titel: Isau, Ralf - Neschan 03 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lied der Befreiung Neschans Das
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Leibgardist hatte die beiden Prinzen im Park aufgesucht und Bomas eine Botschaft des Kaisers überbracht: Zirgis habe von der Ankunft des Thronfolgers gehört, er sei sehr erfreut und wünsche seinen Sohn umgehend im Saal der Rechtsprechung zu sehen.
    Mit vier eingeschüchterten Wachsoldaten im Schlepptau und dem Leibgardisten als Vorhut eilten die beiden Brüder durch den Park, überquerten den Exerzierplatz und betraten das blau glänzende kubische Palastgebäude. Überall herrschte dichtes Gedränge. Die Nachricht vom Anrücken der Armee Temánahs hatte sich wie ein Lauffeuer verbreitet. Staubbedeckte, erschöpfte und nicht selten verwundete Grenzsoldaten verteilten sich über das ganze Palastgelände und zogen Trauben von Menschen an, die sich nicht satt hören konnten an den haarsträubenden Schilderungen über das herannahende Riesenheer.
    Als Bomas und Felin Seite an Seite in den Vorraum der großen Thronhalle schritten, der dem Kaiser als Audienz- und Gerichtssaal diente, stand die Sonne fast im Zenit. Deshalb fehlte der strahlende Glanz vom großen Fenster her, der Zirgis während der Vormittagsaudienzen seine Ehrfurcht gebietende Ausstrahlung verlieh. Zur Rechten des Richterthrones stand unbeweglich die dunkle Gestalt Ffarthors.
    »Seid gegrüßt, Vater!«, donnerte Bomas, nachdem er entschlossenen Schritts vor den Kaiserstuhl getreten war. Der Kaiser liebte derartige Auftritte und Bomas wusste das.
    »Mein Sohn«, entgegnete Zirgis mit brüchiger Stimme.
    Felin blickte bestürzt auf das Zerrbild eines ehemals agilen und wohlbeleibten Mannes: Zirgis’ Gesicht war aschfahl, seine Bewegungen wirkten schleppend; tiefe, dunkle Augenringe zeugten von einer Erschöpfung, die mit einigen Nächten Schlaf nicht zu kurieren war. Und doch glaubte Felin eine Spur von Wärme in der knappen Erwiderung des Kaisers zu spüren. Was ihm während der vielen zurückliegenden Wochen nicht gelungen war, schaffte Bomas mit einer einzigen pompösen Begrüßung. Ihn selbst, den Zweitgeborenen, ignorierte der Kaiser völlig.
    Für einen Moment spürte Felin wieder den alten Schmerz: Immer hatte ihn sein Vater mit Bomas verglichen, ihn nie um seiner selbst willen geliebt, sondern ihn stets nur als eine ungenügende Kopie seines älteren Bruders gesehen. Felin hatte deshalb allmählich verlernt Bomas unvoreingenommen zu betrachten. Erst heute, so wurde sich Felin bewusst, hatte er das wahre Gesicht seines Bruders erkannt. Bomas war ein Mann, der sich bei allem Ehrgeiz bezüglich der Thronfolge doch einen klaren Sinn für Gerechtigkeit bewahrt hatte, der Verantwortungsgefühl besaß, der Yehwoh und seinen Richter achtete sowie – und das wunderte Felin am meisten – seinen Bruder tatsächlich liebte.
    Bomas war währenddessen vor dem Kaiser auf ein Knie gefallen und hatte dessen Segen empfangen.
    »Ich habe ernste Nachrichten für Euch, mein Vater.«
    »Das stand zu befürchten. Was gibt es so Wichtiges, dass du deinen Posten an der Grenze Temánahs verlassen musstest?«
    Bomas warf dem Botschafter des Südreiches einen Blick zu, aus dem offene Feindseligkeit sprach. »Ich würde das gerne ohne Euren Schatten mit Euch besprechen, Vater.«
    Zirgis zuckte zusammen, als hätte sein Sohn ihn persönlich angegriffen. Mit einem Mal zornig schrie er: »Halt deine Zunge im Zaum, Sohn! Ffarthor ist mein engster Ratgeber. Der Thron hat ihm viel zu verdanken und ich dulde es nicht, dass du ihn beleidigst.«
    Der temánahische Botschafter stand so unbeweglich da wie eine Basaltstatue: die Arme über der Brust verschränkt, die Hände in den weiten Ärmeln seines schwarzen Gewandes vergraben, das bleiche Gesicht völlig ausdruckslos.
    Bomas’ Miene sprach dafür umso deutlicher. Angewidert wandte er sich von Ffarthor ab und sagte zum Kaiser freiheraus: »Viel zu verdanken? Fürwahr, Vater. Drei Tagesreisen von hier steht das mächtigste Heer, das Neschan je gesehen hat. Achtzehntausend Männer Eurer Grenzarmee sind gefallen, als sie versuchten es nach Temánah zurückzutreiben. Bar-Hazzat schickt sich an die Länder des Lichts zu verschlingen und Cedanor hat er sich als Hauptgang ausgesucht. Das ist es, was Ihr Eurem ersten Ratgeber zu verdanken habt. Wahrscheinlich hat er vergessen Euch diese Kleinigkeit zu berichten. Ist es nicht so, Ffarthor?«
    Der Kopf des Kaisers ruckte nach rechts. »Was habt Ihr zu diesen Anschuldigungen zu sagen, Eminenz?« Zirgis’ Stimme klang jetzt fordernd.
    »Eine infame Verleumdung!«, zischte der temánahische

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