Isau, Ralf - Neschan 03
Gesandte, doch seine Augen blickten unstet, als suchten sie nach Hilfe.
»Ihr bezichtigt also meinen Sohn, den Erben des Thrones von Cedanor, der Lüge?«
»Er hat seine Pflicht verletzt. Seinen Posten verlassen. Vielleicht haben ihm ein paar Banditenbanden einen solchen Schrecken eingejagt, dass ihm nichts Besseres einfiel, als zu seinem Vater nach Hause zu laufen und Ausreden zu erfinden.«
Bomas’ Hand zuckte zum Schwertgriff, doch Zirgis hielt ihn mit einer beschwichtigenden Geste zurück. Felin schöpfte neue Hoffnung. Bomas’ Auftritt hatte den Panzer gesprengt, der das Herz seines Vaters schon so lange gefangen hielt. Endlich schien Zirgis wieder wahrzunehmen, was wirklich um ihn herum geschah.
»Ihr habt einen schweren Fehler begangen, Fürst Ffarthor«, richtete der Kaiser erneut das Wort an den kahlköpfigen Priester. »Wenn Ihr mir erzählt hättet, Ihr selbst wäret von Euren eigenen Leuten getäuscht worden, ich hätte Euch geglaubt. Dass Ihr aber behauptet, mein Sohn sei ein feiger Lügner, hat Euren Verrat offen gelegt.« Zirgis wandte sich den Wachen zu. »Nehmt Ihre Eminenz Ffarthor von Gedor einstweilen in Gewahrsam. Ich werde mich später um ihn kümmern, wenn ich den ganzen Bericht meines Sohnes gehört habe.«
Die Soldaten rückten mit gesenkten Hellebarden gegen Ffarthor vor. Der Botschafter von Gedor war klug genug zu erkennen, dass sich seine Amtszeit dem Ende zuneigte. Mit gehetztem Blick wog er seine Chancen ab: An den Wachen gab es kein Vorbeikommen und jetzt ließ auch der jüngere der beiden Prinzen sein mächtiges Schwert aus der Scheide fliegen.
Ffarthor beschloss Bar-Hazzats letzten Befehl in die Tat umzusetzen.
Das Schwert Bar-Schevet wirbelte noch durch die Luft, als das Verhängnis bereits seinen Lauf nahm; mehreres geschah nun gleichzeitig: Ffarthors Rechte schnellte aus dem Ärmel seines Gewandes, ein gläserner Dolch blitzte auf; Bomas schrie eine Warnung und der Kaiser riss entsetzt die Arme in die Höhe. Felins Hand bekam den Griff Bar-Schevets zu fassen, Ffarthor stieß zu. Die Wachen stürzten vorwärts, ebenso Bomas; zugleich begann Felins Zweihänder seinen Flug – die lange Klinge steuerte direkt auf Ffarthors Brust zu. Doch ehe sie diese erreichen konnte, fand das rötlich schimmernde Stilett des Priesters Zirgis’ Unterarm. Ein Schrei, Ffarthor blickte betroffen an sich hinab und entdeckte ein blutiges Loch in seiner Brust; dann sackte er leblos in sich zusammen. Bar-Schevet blieb in der Wand unterhalb des Rundfensters stecken.
Nur ein einziger Augenblick und doch hatte sich so viel verändert. Der Botschafter des Südreiches lag in seinem eigenen Blut, umzingelt von einem Dutzend Wachen, die nicht zu glauben schienen, dass der Verhasste wirklich tot war. Die beiden Prinzen untersuchten ihren Vater.
»Hat er Euch getroffen?«, fragte Felin besorgt.
»Ja, am Arm, aber es ist nur eine Schramme«, erwiderte Zirgis.
»Wann kommt denn endlich der Arzt?«, brüllte Bomas zum Tor hin.
»Krempelt bitte den Ärmel hoch«, bat Felin seinen Vater. »Ich möchte mir die Verletzung ansehen.«
Zirgis gab widerstrebend nach. Die Wunde war wirklich nicht groß – nur ein daumenlanger Kratzer –, aber an seinem oberen Ende steckte die abgebrochene Spitze von Ffarthors Stilett.
»Das gefällt mir nicht«, brummte Felin. »Ganz und gar nicht.«
»Mir genauso wenig«, stimmte Bomas zu und ließ die Augen wieder zum Eingang wandern; der Arzt war noch immer nicht aufgetaucht.
»Beruhigt euch doch endlich«, sagte Zirgis; in seiner Stimme schwang ein schriller Unterton mit, auf seiner Stirn perlte kalter Schweiß.
Felin ahnte, was das zu bedeuten hatte, aber er weigerte sich es zu akzeptieren. »Was ist mit Euch, Vater?«
Zirgis wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß ab. »Ich… ich weiß nicht. Mir ist schwindlig.«
»Der Dolch war vergiftet!«, entfuhr es Bomas.
Der Kaiser stöhnte. Zirgis’ Körper wurde von jähen Krämpfen geschüttelt. Seine Söhne ließen ihn auf den Boden gleiten, hielten ihn mit sanfter Beharrlichkeit fest. Endlich legte sich der Anfall. Doch Zirgis fiel das Atmen immer schwerer.
»Es geht mit mir zu Ende«, flüsterte der Herrscher. Felin und Bomas wechselten einen ernsten Blick. »Ich habe eine Schlange an meinem Busen genährt und zu spät bemerkt, dass sie ihr Gift nur für mich sammelte.«
»Sprich nicht so viel, Vater. Der Arzt muss gleich kommen.«
»Felin…« Die Augen des Kaisers glänzten im Fieber. »Kannst du mir
Weitere Kostenlose Bücher