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Isau, Ralf

Isau, Ralf

Titel: Isau, Ralf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerry
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durchsichtigen Kasten. Die Ausmaße der Vitrine hätten ausgereicht, um die Suppenschüssel einer Großfamilie aufzunehmen, und etwa so groß war auch die darin ausgestellte Schneeflocke. Qutopía war, ganz zur Freude des Königs, sichtlich entzückt.
    Kumulus' Ehrgeiz war geweckt. »Oder wie wäre es damit?« schlug er vor, wechselte auf die andere Seite des Gangs und stieß etwas tiefer in die Halle vor. Auf einem wuchtigen schwarzblauen Sockel, der oben samtig und völlig plan war, lagen, in einem perfekten Quadrat angeordnet, große silbrige Halbkugeln. Jede hatte an ihrer Basis die Größe eines Esstellers. Karl zählte im Stillen sechzehn Reihen mal sechzehn Spalten, also insgesamt zweihundertsechsundfünfzig dieser beim leisesten Hauch wie lebendig zitternden Blasen.
    Kumulus wies mit der Hand auf das viereckige Arrangement. »Hier, meine Gnädigste, sehen Sie die Tränen eines sehr seltenen Geschöpfes: des ›Doppelt so großen Moorkrokodils‹.«
    »Doppelt so groß wie was?«, entfuhr es Karl – wieder eine dieser spontanen Fragen, mit denen er sich schon früher bei seinen Professoren unbeliebt gemacht hatte.
    Der König bedachte ihn mit einem missbilligenden Blick, bevor er sich wieder Qutopía zuwandte: »Kein Forscher konnte bisher herausfinden, warum das Doppelt so große Moorkrokodil so heißt, wie es heißt, aber ich kann Ihnen versichern, meine Liebe, es ist ziemlich groß.« Offensichtlich wollte er Qutopías Nerven mit seinem Getue ein wenig kitzeln, aber die Glücksdrachenpilotin zeigte nicht den geringsten Anflug von Furcht. Ja, ihre Erwiderung war geradezu keck.
    »Liebes Majestätchen, jedes Kind weiß, dass Krokodile nicht weinen.«
    Karl nickte eifrig und grinste dabei schadenfroh. »Da sind Sie wohl einem Schwindler aufgesessen, Hoheit. Das müssen Fälschungen sein, vermutlich große Quecksilbertropfen. Krokodilstränen sind nie echt.«
    »Die hier schon«, antwortete ihm der Imagináriensammler schneidend, um sogleich wieder das Drachenmädchen anzusäuseln. »Das Doppelt so große Moorkrokodil, von dem sie stammen, lebte nämlich in den Sümpfen der Traurigkeit, die bisher noch jeden zum Weinen gebracht haben. Zweifellos hat Ihr neunmalkluger Begleiter noch nie etwas von ihnen gehört.«
    Karl wechselte einen Blick mit Herrn Trutz und erwiderte trotzig: »Doch, habe ich.«
    »Ach was! Na, ist ja auch egal.« Er zeigte wieder auf die silbrigen Blasen. »Die Besonderheit dieser Tränen besteht in ihrer Fähigkeit, flüchtige Momente aufzufangen. Achten Sie auf die Bilder, die sich in ihnen spiegeln.«
    Qutopía und die anderen beugten sich tiefer über den Sockel, der auf Luftikusgröße angelegt und daher für die Menschen ziemlich niedrig war. Zu aller Erstaunen spiegelten die Tropfen nicht einfach die Umgebung wider, sondern hielten diese Bilder fest. Nach einer gewissen Zeit löste sich das dieserart »festgeklebte« Spiegelbild wieder, die Blase reflektierte ganz kurz die Umgebung, bis sie neuerlich erstarrte.
    Karl bewunderte sein Konterfei auf einer der Krokodilstränen. »Das gibt es in der Äußeren Welt auch«, sagte er. »Man nennt es Fotografie.«
    Kumulus staunte. »Sie können Momente festhalten? Mit allen ihren Stimmungen?«
    Karl biss sich auf die Unterlippe.
    »Dachte ich mir«, brummte der König.
    Hiernach führte er seine Besucher zu einer kleinen Sammlung gläserner Bilder mit vergessenen Träumen aus der Grube Minroud, im Volksmund besser als das »Bergwerk der Bilder« bekannt. Die Träume würden, so wie sie dort in ihren Halterungen hingen, aus dem Gestein der Grube geschnitten, kostbare Raritäten, weil Yor, der blinde Leiter der Grube, normalerweise keines von ihnen herausrücke, sondern sie alle in Schnee einbette.
    Eine andere Abteilung der Ausstellung befasste sich mit flüchtigen Gefühlen, die sich, wie Kumulus behauptete, am besten auf Seifenblasen bannen ließen – gleich eine doppelte Herausforderung. Die drei Besucher lauschten eine ganze Weile dem Schwärmen und den Fachsimpeleien des Königs. Sie bestaunten weiterhin Sternschnuppen, Geistesblitze, die daumennagelgroßen Netze tibelenischer Eintagszwergspinnen, eine kleine, aber exquisite Auswahl von Regenbogenbruchstücken und noch sehr viel mehr seh-, hör- und riechbare Exponate, die alle auf mehr oder weniger geheimnisvolle Weise im Augenblick ihrer kurzen Existenz »eingefroren« worden waren, um hier einem staunenden Publikum vorgeführt zu werden.
    Als der Herrscher zu seiner

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