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Isau, Ralf

Isau, Ralf

Titel: Isau, Ralf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerry
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Kuriositätenschau überwechseln wollte und mit gesenkter Stimme die kristallisierte Blähung eines Glücksdrachen ankündigte, platzte Herrn Trutz der Kragen. »Ich muss schärfstens protestieren, Majestät!«
    Die eben noch heiter irisierende Miene des Monarchen wurde aschfahl. »Sind Sie von Sinnen! Wollen Sie den Kristallpalast mit Ihrem Geschrei zum Einsturz bringen?«
    »Nein. Verzeihung.«
    »Und warum sind Sie dann so indigniert? Ich habe Sie doch nicht etwa gelangweilt?«
    »Wir sind nicht hierher gekommen, um uns zu unterhalten, Majestät«, zischte Herr Trutz, hörbar um einen Kompromiss zwischen Eindringlichkeit und geringer Lautstärke bemüht. »Das heißt, unterhalten wollten wir uns schon mit Euch, aber nicht zum Vergnügen.«
    »Kommen Sie mir nicht mit gewichtigen Themen, Trutz!«, warnte der König.
    »Manchmal ist ein leichter Plausch ungeeignet, wenn es um existenzielle Fragen geht.«
    »Existenzielle Fragen?« Kumulus wich erschrocken zurück. »Ich fürchte, da müssen Sie sich eine andere Wolke suchen, mein Wertester.«
    »Was der ehrenwerte Thaddäus erklären will«, mischte sich Qutopías Stimme wie Öl in die knirschende Konversation, »wir haben die weite Reise zu Euch nicht gescheut, weil es keinen besseren oder, um der Wahrheit die Ehre zu geben, nur einen einzigen Gelehrten in ganz Phantásien gibt, der das Rätsel lösen könnte.«
    Des Königs Brust schwellte unter dem Mantel. An den Meisterbibliothekar gewandt, fragte er versöhnlich: »Warum haben Sie das nicht gleich gesagt, werter Trutz?«
    »Nun, weil... Dieses Rätsel ist ziemlich schwer ...«
    »Was?«
    »Nicht für Euch«, beeilte sich Qutopía zu versichern. »Sonst hätten wir es nicht nach Wolkenburg gebracht.«
    »Das beruhigt mich. Und wie lautet dieses Rätsel?«
    Herr Trutz öffnete den Mund, aber das Drachenmädchen war schneller. »Was ist leichter als der leere Raum, den ein vom Regal genommenes Buch hinterlässt?«
    Karl schmunzelte. Hinter Qutopías burschikosem Gehabe steckte offenbar ein messerscharfer Verstand. Das gefiel ihm.
    Kumulus kratzte sich am Kopf, wodurch seine Krone gefährlich in Schieflage geriet. »Ist das eine rein hypothetische Frage?«
    »Nein, eine sehr konkrete«, wagte Herr Trutz sich wieder ins Gespräch.
    Wieder kratzte sich Kumulus und schob damit die Krone wie einen Heiligenschein weit auf den Hinterkopf. »Können Sie mir eine klitzekleine Hilfestellung geben?«
    Der Meisterbibliothekar atmete erleichtert auf. »Gerne!« Und nun erzählte er endlich von den mysteriösen Auflösungserscheinungen in der Phantásischen Bibliothek. Danach wurde der König sehr nachdenklich.
    »Woraus bestehen die Bücher?«, fragte er leise.
    »Aus Licht«, antwortete Herr Trutz.
    Kumulus nickte gewichtig, und die Krone rutschte ihm vom Kopf. Qutopía fing sie auf. Der König merkte es nicht einmal, sondern sagte: »Bitte folgen Sie mir. Ich möchte Ihnen etwas zeigen.«
    Er führte die Gäste ins Zentrum des Kristallpalastes. Dort stand auf einem fast unsichtbaren Sockel aus Elfenhauch ein durchscheinender Würfel. Karl konnte auf den Flächen verschiedene Bilder sehen: ein sich umarmendes Liebespaar; ein siebenmäuliges, kugelrundes, menschenfressendes Unwesen; ein neugeborenes, noch an der Nabelschnur hängendes Kind; einen weinenden nackten Menschen – weder Mann noch Frau – in einem Zuber voller Tränen; eine lächelnde Person, die ein Buch las; und den Tod.
    »Mein größter Schatz«, sagte der König mit bebender Stimme.
    »Was? Etwa der Kubus?«, fragte Herr Trutz.
    »Pscht!«, machte Kumulus. »Nicht so laut! Nein, obwohl auch der Würfel eine Kostbarkeit ist. Er besteht aus den gläsernen Bildern vergessener Träume, wie sie auch in meiner Minroud-Sammlung zu sehen sind. Das eigentliche Prunkstück meines bescheidenen Museums ist in dem Kasten.« Der König beugte sich vor und deutete auf denselben.
    Von den anderen drei Seitenflächen näherten sich sehr behutsam die Gäste, beugten sich vor und suchten in den Glasbildern klare Flächen, die ihnen einen Blick ins Innere gewährten. Als Karl den »größten Schatz« des Königs sah, lief es ihm eiskalt den Rücken hinab. Es war wohl nur dem Glasbild zu verdanken, dass seine Augen den Anblick überhaupt so lange ertrugen. In dem Kubus befand sich eine etwa taubeneigroße Probe ebenjener Leere, die er erstmals in der Phantásischen Bibliothek gesehen hatte. Aus irgendeinem Grund, den Karl nicht erkennen konnte, schwebte sie mitten in dem

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