Isch geh Schulhof: Erfahrung
einzumischen.
»Ick hab schon immer so unterrichtet«, erklärt mir Geierchen, »aber ick sach dir: Dit zehrt auch anne Nerven. Und wennde denn siehst, dass alle anderen mit deutlich weniger Uffwand dit gleiche Geld verdienen, fragste dich auch irgendwann: Wat soll dit eigentlich?«
»Du siehst ja, was es bringt! Die Kids haben Spaß und lernen etwas.«
»Aber«, entgegnet er und stößt mir mit dem Zeigefinger schmerzhaft auf die Brust, »am Ende dankt et dir keena! Meine letzte Klasse hab ick drei Jahre lang geleitet, hab mir den Arsch uffjerissen für die. Und weeßte, wie viele Eltern zur Abschlussfeier jekommen sind? Zweie, und die ham noch nichmal danke jesacht!«
Er schüttelt frustriert den Kopf und erklärt mir zum wiederholten Male die wichtigste Lektion seines Lebens: »In diesen Land, Möller, hilft dir keena, merk dir dit! Du musst dich um allet selbst kümmern!«
In diesem Zusammenhang spricht er noch einmal die dringende Empfehlung an mich aus, mir so schnell wie möglich einen richtigen Job zu suchen. Seit unserem ersten Gespräch am Anfang meiner Laufbahn macht er keinen Hehl aus seiner Meinung, ich würde hier meine Zeit verschwenden.
»Am Ende kriegste nüscht als ’n feuchten Händedruck. Wirste sehen.«
Mit diesen Worten nimmt er seinen Unterricht wieder auf, dessen letzte Minuten ich mit Wonne verfolge. So beginnt also mein zweites volles Schuljahr als Lehrer an der Seite von Herrn Geier.
Zu Hause angekommen, warten Sarah und ihr Bauch auf mich. Der hat inzwischen deutlich sichtbare Ausmaße angenommen, und gelegentlich spüre ich sogar die Bewegungen unseres Babys, von dem wir seit Kurzem wissen, dass es ein Mädchen wird, durch die Bauchdecke. Nachdem Sarah und ich uns mal wieder gemeinsam über Geierchen und seine originelle Art amüsiert haben, erzähle ich ihr von seiner Einstellung zu meinem Job.
»Wichtiger als seine Meinung ist doch, dass es dir Spaß macht, oder?«, gibt Sarah zu bedenken.
Von Spaß würde ich zwar nicht unbedingt sprechen, aber inzwischen finde ich tatsächlich mehr und mehr Gefallen an meiner Arbeit. Vor allem mit der Aussicht darauf, innerhalb der Erweiterten Schulleitung nun auch einen Blick hinter die Kulissen des Schulwesens werfen zu können, fühle ich mich in meiner Lehrerhaut immer wohler. Doch je näher der Zeitpunkt rückt, ab dem ich nicht mehr nur für mich, sondern für eine kleine Familie verantwortlich bin, desto stärker wird auch mein Wunsch nach einem unbefristeten Arbeitsvertrag und einem höheren Gehalt – und beides ist in meiner aktuellen Situation ausgeschlossen. Also setze ich mich abends an den Rechner und suche nach möglichen Wegen, ein Staatsexamen als Lehrer zu erlangen. Irgendeine mittelfristige berufliche Perspektive muss her!
Die Informationen dazu sind allerdings nicht eindeutig, also krame ich einen Zettel hervor, auf dem mir ein Mitglied des Personalrats einen Ansprechpartner zu diesem Thema genannt hat. Höchste Zeit, die Sache anzugehen.
Ein einfacher Anruf bei der zuständigen Dame für den dauerhaften Quereinstieg in den Schuldienst hätte natürlich gereicht, aber da die telefonische Erreichbarkeit bei Behörden meist recht eingeschränkt ist, bin ich Anfang dieser Woche kurzerhand persönlich bei ihr reingeschneit.
Mein Gespräch im Hochhaus am Alexanderplatz ist dann aber deutlich kürzer, als mir lieb war: keine Chance! Lehrer können wirklich nur diejenigen werden, die das gesamte Studium inklusive erstem Staatsexamen, Referendariat und zweitem Staatsexamen absolviert haben. Mit der Aussage meiner Schulleitung passt das allerdings nicht zusammen.
»Da gibt es definitiv Möglichkeiten, Herr Möller«, versichert mir Frau Juhnke am nächsten Tag und verweist mich an den Konrektor. Tom ist sich sicher, dass Quereinsteiger wie ich nach drei Jahren im Schuldienst die Möglichkeit haben, eine berufsbegleitende Fortbildung zu besuchen und danach eine Staatsexamensprüfung abzulegen.
Dazu fehlen mir allerdings noch zwei Jahre. Nun gut, da mein Gehalt für die nächsten zwölf Monate gesichert ist, widme ich mich erst einmal wieder dem Schulalltag – und der ist fürs Erste auch spannend genug.
20
Schwule Dinosaurier
A ls ich den dunklen und schmutzigen Flur unserer Schule betrete, erkenne ich Geierchen schon von Weitem an seinem zackigen Schritt. Er erblickt mich, kommt in seiner typischen Art auf mich zu und beginnt wie beinahe immer mit einer rhetorischen Frage.
»Samma, haste einklich schomma’n Ausflug
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