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Isegrim

Isegrim

Titel: Isegrim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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Hat ihm ein gutes Zuhause gegeben.«
    Â»Und dann wurde Ihre Enkeltochter geboren«, bemerke ich nachdenklich, während sich in meinem Kopf das Puzzle weiter zusammensetzt und das mulmige Gefühl in meinem Magen zunimmt.
    Â»Kamila, ja. Ein kleiner Schatz.« Agnes streicht zärtlich mit den Fingerspitzen über das Foto ihrer Enkeltochter. »Einmal im Jahr haben sie mich hier besucht für ein paar Tage. Brigitta, Marek, Alexander und Kamila.«
    Sie wischt sich ein paar Tränen aus den Augenwinkeln. »Ich habe sie beide gleich gern gehabt, den Jungen und die Kleine. Und Brigitta hat Alexander geliebt wie einen eigenen Sohn. Aber bei diesem letzten Besuch, damals vor fünf Jahren, hat sie mir erzählt, dass der Junge furchtbar eifersüchtig war auf seine Schwester.
    Als Kamila noch ein Baby war, hat er einmal den sechs Kilo schweren Kater auf ihr Gesicht gesetzt. Zum Glück ist Brigitta rechtzeitig dazugekommen. Alexander hat Schreckliches durchgemacht als kleiner Junge. Und nun fiel es ihm schwer, sich damit abzufinden, dass seine geliebten Eltern nicht mehr nur ihm gehörten.«
    Das Herz schlägt jetzt so heftig in meiner Brust, dass es wehtut. Mein Blick hängt an dem Zeitungsartikel mit den Fotos von Kamila und Olek. Kamila ist tot. Was hat Olek getan?
    Â»Was ist passiert, Agnes? Ich muss es wissen. Was steht in diesem Artikel?«
    Agnes seufzt leise. »Niemand weiß, was wirklich passiert ist. Man hat Kamila auf einer Baustelle gefunden, offensichtlich war sie von einer Mauer gestürzt und eine Eisenstange hatte sich mitten durch ihr Herz gebohrt.«
    Nein. Nein. Nein. Ich befinde mich im freien Fall.
    Â»Und Olek … ich meine: Alexander?«
    Â»Der Junge ist seitdem verschwunden. Sie haben lange nach ihm gesucht, aber er war wie vom Erdboden verschluckt.«
    Deshalb ist Olek also weggelaufen.
    Ein Eingeständnis seiner Schuld?
    Seit Shadowland und diesem verrückten Gespräch in Tobias’ Küche weiß ich, dass das Offensichtliche nicht unbedingt die Wahrheit sein muss. Trotzdem frage ich: »Hat Alexander Kamila getötet?«
    Agnes hebt die Schultern. »Er war noch ein Kind damals, erst dreizehn. Vielleicht hat er es getan. Niemand weiß, was für einen Schaden die ersten Lebensjahre bei seiner unfähigen Mutter und diesem schrecklichen Mann in den Tiefen seiner Seele hinterlassen haben.«
    Wunden, antworte ich in Gedanken. Sie haben Wunden hinterlassen, aber keinen Schaden. Ich kenne ihn, will ich schreien. Ich kenne ihn und ich weiß, dass er so etwas Furchtbares niemals tun könnte. Doch mir ist bewusst, dass ich nur den Olek kenne, der er jetzt ist, und nicht den unglücklichen Jungen von damals.
    Agnes beugt sich herüber, legt eine Hand auf meine und sieht mich an. »Wo ist er, Jola?«
    Â»Er lebt schon seit dem Frühjahr in einer Höhle auf dem Truppenübungsplatz. Ich bin oft im Wald, so sind wir uns begegnet.«
    Â»Und wo war er, all die Jahre? Hat er dir das erzählt?«
    In knappen Worten berichte ich ihr von der Diebesschule und dem Patron. Von dem schäbigen Zimmer in Berlin und von Oleks Freund Antek, der auf der Flucht vor der Polizei in ein Auto gelaufen war. Von der alten Frau im Spreewald, die glaubte, Olek sei ihr Sohn.
    Agnes presst beide Hände auf den Mund und schüttelte immer wieder den Kopf. Als ich meinen Bericht ende, holt sie tief Luft und sagt: »Er ist also zu mir gekommen.«
    Â»Sieht so aus.«
    Â»Und er hat das getan, was er gelernt hat: stehlen.«
    Â»Er hat nur genommen, was er wirklich braucht«, verteidige ich Olek. »Er wird die Sachen zurückgeben, ich kann ihm dabei helfen.«
    Â»Du liebst ihn wirklich, nicht wahr?«
    Ich nicke. Agnes nimmt ihr Glas, sie steht auf, um es noch einmal aufzufüllen. »Sag ihm, er kann zu mir kommen. Was immer passiert ist, ich bin seine Oma. Sag ihm das, Mädchen.«
    Â»Das mache ich.« Ich erhebe mich, als mir etwas einfällt, das in der ganzen Aufregung völlig untergegangen ist. »Ach ja, da ist noch etwas.«
    Â»Ja?« Agnes fasst sich ans Herz.
    Â»Tomasz, er …« Agnes legt die Stirn in Falten, ihre Augen haften an meinen Lippen und auf einmal weiß ich nicht mehr, wie ich es ihr sagen soll. »Diese Höhle, Oleks Höhle, die war viele Jahre verschüttet, und in einer Kammer, da sitzt … ein Mann in Uniform. Es ist …«
    Die alte Frau gibt einen hohlen

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