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Isegrim

Isegrim

Titel: Isegrim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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genügend Zeit, um die Küche hinterher wieder in ihren Urzustand zu versetzen. Zum Glück ist Saskias Mutter nicht so pingelig wie meine.
    Es dauert dann auch keine fünf Minuten und die schicke helle Küche der Wagners sieht aus wie ein Schlachtfeld. Saskia hat ebenfalls beschlossen, einen Kuchen zu backen, und wir legen uns mächtig ins Zeug, während wir den Klängen von Snow Patrol lauschen, Saskias neuer Lieblingsband.
    Als ich den Teig in der Röhre beim Aufgehen beobachte, entfährt mir ein Fluch. »Scheiße, verdammt.«
    Â»Was denn?«
    Â»Ich hab den Zucker vergessen.« Ich zeige auf den Messbecher mit dem Zucker, der halb verdeckt vom Mixer auf dem Tisch steht.
    Â»Mannomann, wo bist du nur mit deinen Gedanken?« Saskia stemmt kopfschüttelnd ihre Hände in die Hüften.
    Ich hebe den Kopf und sehe sie an. Wie gerne würde ich ihr erzählen, wo ich mit meinen Gedanken bin. Bei einer Wölfin und einem mysteriösen Jungen namens Olek, die sich offenbar beide auf dem Truppenübungsplatz niedergelassen haben. Aber das kann ich nicht. Dafür kenne ich Saskia einfach noch nicht gut genug.
    Saskia deutet mein betretenes Gesicht falsch. »Du bist verliebt, stimmt’s?«
    Völlig entgeistert starre ich sie an.
    Â»Ich meine: nicht in Kai.« Sie kichert. »Du bist in einen anderen verliebt, Jo. Du bist schon seit Tagen so komisch. Wer ist es?« Sie hüpft auf und ab wie ein kleines Kind, das Schokolade will. »Komm schon, erzähl es mir, ich werde schweigen wie ein Grab.«
    Ja, klar!
    Â»Quatsch! Ich bin mit Kai zusammen«, brumme ich. »Und ich hab den Zucker vergessen, das ist alles.«
    Saskia macht einen Schmollmund (den kann sie wirklich gut), ich merke, dass sie mir nicht glaubt. Aber sie gibt das Thema auf: »Ist doch nicht so schlimm, dann machst du an den Pudding für die Buttercreme eben mehr Zucker. Das wird keiner merken.«
    Gesagt, getan. Rechtzeitig zum Mittagessen bin ich mit meiner süßen Fracht wieder zu Hause. Die Torte deponiere ich in Pas Kühlkammer. Es ist ein todsicheres Versteck, Ma geht da niemals rein, nicht in hundert Jahren.
    Obwohl der Duft von nahendem Regen in der Luft liegt, fahre ich am Nachmittag noch einmal in den Wald. Diesmal lasse ich meinen Ansitz und die Wildsuhle links liegen und folge einem Wildpfad tief hinein ins Innere des Truppenübungsplatzes.
    Rings um das Militärgelände warnen rostige Schilder: Achtung Blindgänger! Lebensgefahr!
    Verrostete Blindgänger, Übungsgranaten und Patronen stecken tief im Erdreich, aber bei starkem, anhaltendem Regen wird das Zeug manchmal an die Oberfläche gespült.
    Das Betreten des Großen Tambuchs, das finstere Herz des Waldes, ist absolut verboten, denn dort liegt noch haufenweise Munition. Über Jahrzehnte war das Gebiet Hauptziel für Übungen mit Panzern und Haubitzen. Wenn in diesem Areal das Räumkommando der Bundeswehr arbeitet, werden täglich bis zu eine Tonne Munition geborgen. Eine Tonne … Wahnsinn!
    Die meisten Bäume in diesem Abschnitt des Waldes haben Metallsplitter in den Stämmen, sodass das kostbare Buchenholz nicht verwendet werden kann, außer zur Brennholzgewinnung. Kein Sägewerk nimmt die Stämme an, weil die Metallsplitter jeder Säge den Garaus machen würden.
    Das ist schlecht für Pa, weil er mit diesen Bäumen kein Geld verdienen kann, und gut für Wildkatze & Co, denn hier wächst richtiger Urwald. Große, uralte Buchen mit ausladenden Ästen sperren mit ihrem dichten Laub den Himmel aus. Darunter ist es kühl und dunkel.
    Unzählige Male habe ich Pa auf seinen Kontrollgängen in diesem Areal begleitet und weiß, wo ich gehen kann und wo nicht. Aber ich suche nach Spuren der Wölfin und die werde ich nicht im tiefen Wald finden, sondern eher dort, wo das Gelände offener ist und trotzdem genug Deckung bietet. Da eine Wölfin ihre Wurfhöhle immer dort bauen wird, wo es Wasser gibt (die Jungen brauchen Wasser, wenn sie anfangen, Fleisch zu fressen), habe ich zumindest eine Ahnung, wo ich suchen muss. In der Nähe eines Kalahari genannten Hügels gibt es verschieden große Tümpel, in denen auch im Sommer noch Wasser steht, und ich kenne die Pfade, auf denen ich gehen kann.
    An der Kreuzung zweier sandiger Waldwege entdecke ich zum ersten Mal Spuren, aufgereiht wie Perlen auf einer Schnur. Beim Laufen hat die Wölfin ihre

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