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Isegrim

Isegrim

Titel: Isegrim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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Leiter, Wäsche verschwindet von der Leine, Erna vermisst ein Huhn, Hubert seinen Spaten und es fehlt sogar Eingewecktes aus einem Keller. Mein Mann hat inzwischen eine Liste angelegt. Er meint, der Dieb müsse sehr schlank und wendig sein und sich ziemlich gut auskennen im Dorf.«
    Das darf doch nicht wahr sein!, schießt es mir durch den Kopf. Ich sehe Olek vor mir, wie er mit dem Spaten an der Senke ein Loch gräbt und den Kopf des Rehkitzes verschwinden lässt. Röte steigt mir ins Gesicht, ich hoffe, dass die Frauen es nicht bemerken. Hat der Elf den Spaten gestohlen? Hat er auch die anderen Dinge genommen? Aber warum narrt er die Leute mit vertauschten Gartenschuhen? Um sie glauben zu lassen, dass es sich um einen Jungenstreich und nicht um Diebstahl handelt?
    Â»Ich vermisse eine Decke.« Ma ist sichtlich erfreut, auch etwas Handfestes zum Thema beisteuern zu können. »Ich hatte sie auf der Terrasse vergessen. Am nächsten Morgen war sie nicht mehr da.«
    Entgegen meinen Hoffnungen hat sich die Decke nicht wieder eingefunden und ich ahne, dass sie das auch nicht mehr tun wird.
    Â»Vielleicht sollte sich endlich die Polizei darum kümmern«, meint Frau Kümmerling. »Die Leute kommen zu meinem Mann, als könne er die verschwundenen Sachen mithilfe von Gebeten wieder herbeizaubern.«
    Â»Ach was«, Caroline Merbach schüttelt den Kopf. »Das sind doch alles bloß Dummejungenstreiche, wahrscheinlich nichts weiter als eine Mutprobe. Irgendwann wird einer der Diebe auf frischer Tat erwischt und dann hat der Spuk ein Ende.«
    Ma und die Pfarrersfrau nicken. Gut, denke ich erleichtert. Sollen sie nur in dem Glauben bleiben, bis ich herausgefunden habe, wozu Olek all diese Dinge braucht.
    Wir betreten den kleinen Laden, wo meine Mutter Naturjoghurt und Sahne in ihren Korb legt, beides braucht sie für ihre unschlagbare Rhabarber-Charlotte.
    Am Ende der zweiten Regalreihe haben sich drei alte Frauen um Tonia Neumeister versammelt und schnattern laut wie Enten. Auch bei ihnen ist die mysteriöse Dieberei das Hauptthema. Rolands wurde eine Säge gestohlen und Demmlers vermissen ein Seil. Manche Leute haben das Gefühl, ihnen fehlen Kartoffeln im Keller. Mein Gott, denke ich mit zunehmender Verwunderung. Wenn du der Dieb bist, Olek, wozu brauchst du dann all diese Sachen?
    Rudi kommt in den Laden, wischt sich den Schweiß von der Stirn und füllt seinen Einkaufskorb mit Hundefutter, Tiefkühlgerichten und ein paar Äpfeln. Als auch die alte Neumeister lautstark nach der Polizei kräht, um den Dieben endlich das Handwerk zu legen, hebt Grimmer, der Expolizist, den Kopf.
    Â»Aber dafür brauchen wir doch keine Polizei im Dorf, Tonia«, beschwichtigt er sie. »Das sind eindeutig Streiche von irgendwelchen Jungen, die sich im Wald eine Bude bauen und sich häuslich darin einrichten. Das haben wir früher auch gemacht.«
    Â»Aber so geht das nicht«, zetert die alte Erna los, »die Sachen kosten schließlich Geld und das wächst nicht auf den Bäumen. Hammer und Säge finden sich ja vielleicht wieder, aber mein Huhn, das ist in der Suppe gelandet, drauf möchte ich wetten.«
    Oder am Spieß, denke ich grimmig und gebe mir Mühe, meinen Mund zu halten. Hat Olek sich im Wald eine Bude gebaut?
    Als Ma und ich mit unseren Einkäufen den Laden verlassen, steht Elvira in ihrem Rollstuhl am Blumenkübel neben dem Eingang und wartet auf ihren Mann. Die Färber-Zwillinge und ein Bengel in kurzen Hosen, die den Rollstuhl eben noch umringt haben, stieben kichernd davon.
    Â»Guten Tag, Elvira«, grüßt Ma freundlich.
    Elvira Grimmer verzieht das Gesicht zu einem schiefen Lächeln. »Hü... Hühnerkacke.«
    Ma und ich können nicht anders, wir lachen los und Frau Grimmer lacht mit. Sie sitzt in diesem Rollstuhl und sie kann nicht sprechen, aber sie kann denken und über sich selber lachen – etwas, das nicht jedem gegeben ist.
    Den Rest des Tages ist Ma in der Küche zugange. Mittags gibt es Hühnersuppe mit selbst gemachten Nudeln (für mich ohne Huhn), danach zaubert sie den Nachtisch und bereitet den Braten für den Abend vor. Ich habe den Rhabarber geerntet und geschnitten – mehr will sie sich nicht helfen lassen. Es macht meine Mutter nervös, wenn ich mit ihr zusammen in der Küche herumwerkele. Sie ist Perfektionistin, hat die Dinge gern im Griff. Niemand kann es ihr dabei recht

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