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Isegrim

Isegrim

Titel: Isegrim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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    Â»Sie war erst elf Jahre alt.« Pas Stimme klingt jetzt richtig genervt. »Und ihr Kleid, das man in Martin Sievers Wohnwagen fand, hatte einen blutigen Riss in der Herzgegend. Alina ist tot, Thomas, und ich hoffe es bleibt mir erspart, dass Wilma eines Tages durch Zufall ihre Überreste ausbuddelt.«
    Pas Worte fahren wie ein Blitz in meinen Kopf. Ich stehe wie vom Donner gerührt, das Atmen fällt mir auf einmal schwer. Was mein Vater da soeben erzählt hat, ist völlig neu für mich.
    Im Wohnzimmer herrscht Stille. Auf einmal höre ich Schritte und presse mich mit dem Rücken an die Wand hinter der halb offenen Tür. Ma rauscht an mir vorbei ins Bad, flatternd, wie ein verletzter Vogel.
    Ich nutze die Gelegenheit und stecke den Kopf ins Wohnzimmer. »Ich bin müde und gehe schlafen. Viel Spaß noch.« Und weg bin ich.
    Nach einer ausgiebigen Dusche setze ich mich noch eine Weile in eine Decke gewickelt in den Schaukelstuhl auf meinem Balkon. Fledermäuse flattern wie schwarze Schatten durch die Nacht. Bald ist Neumond und es ist richtig finster draußen. Meine Gedanken kreisen unaufhörlich um den blutigen Riss in Alinas Kleid. Ich bin wütend, weil es bis heute niemand für notwendig gehalten hat, mir von diesem wichtigen Detail zu erzählen.
    Ganz aus der Nähe dringen die schrillen Schreie einer Schleiereule an mein Ohr, die Jagd auf Fledermäuse und Kleinnager macht. Sie kann ihre Beute mit tödlicher Sicherheit orten und fliegt beinahe lautlos. Wenn ihre Rufe durch die Nacht hallen, stirbt irgendwo ein Mensch, sagen die Leute.
    Trotz Decke fröstelt mich mit einem Mal. Ich stehe auf, um nach drinnen zu gehen, als ich von unten Stimmen höre. Ich schleiche zur anderen Seite des Balkons, drücke mich an die Brüstung. Ich kann sie nicht sehen, aber ich höre, dass es Thomas und Lotta sind, die unten vor dem Carport stehen, wo Thomas seinen Jeep geparkt hat. Zigarettenqualm steigt mir in die Nase.
    Mit verhaltener Stimme klärt Lotta Thomas über Ma und ihre Ängste auf. Er hört zu und am Ende murmelt er eine Entschuldigung.
    Â»Das konntest du ja nicht wissen. Falk hätte es dir längst erzählen müssen. Nach dem Verschwinden des Mädchens war Ulla einige Wochen in der Psychiatrie.«
    Ich weigere mich, die Erinnerung an diese Wochen zuzulassen, in denen ich mit dem Verlust meiner Freundin klarkommen musste und dem Gefühl, auch noch von meiner Mutter im Stich gelassen zu werden. Tante Lotta war sofort von La Gomera gekommen, als Pa sie angerufen hatte.
    Â»Na ja, das war ja auch eine schlimme Geschichte.« Thomas’ Stimme klingt bedrückt. »Ich kann mich dunkel an die Kleine erinnern. Sie war Jolas Freundin, nicht wahr? Zum Glück ist das Ganze so schnell aufgeklärt worden. Ist trotzdem kein schönes Gefühl, wenn man erfährt, dass ein Mörder jahrelang mit einem Tür an Tür gelebt hat und im selben Laden einkaufen war.«
    Â»Ich weiß nicht …«, Tante Lotta zögert. »Ehrlich gesagt habe ich nie so recht glauben können, dass Martin Sievers Alina umgebracht hat.«
    Obwohl die beiden mich ebenso wenig sehen können wie ich sie, halte ich den Atem an.
    Â»Aber ich denke, der Mann hat sich im Gefängnis erhängt, nachdem die Polizei das blutige Kleid des Mädchens in seinem Wohnwagen gefunden hat. Ein besseres Geständnis gibt es nicht oder liege ich da falsch?«
    Â»Ja, vielleicht hast du recht. Aber die meisten Leute in Altenwinkel betrachten die Welt durch einen Gardinenspalt, Thomas.« Tante Lotta spricht jetzt lauter. »Wenn etwas in ihr einfaches Weltbild passt, dann ist es eben die Wahrheit. Sievers war damals der ideale Schuldige für sie. Er war kein Alteingesessener. Der Expolizist fand heraus, dass der Mann mal Lehrer war und angeblich was mit einer Schülerin hatte. Sievers hängt sich in seiner Zelle auf und liefert damit ein perfektes Schuldeingeständnis. Fall abgeschlossen. Hätte es die Polizei nicht stutzig machen müssen, dass Sievers das Kleid des Mädchens nicht vernichtet hat, obwohl er dafür genug Zeit hatte?«
    Â»Vielleicht war es eine Art Trophäe für ihn und er wollte es behalten. Niemand weiß, was in so einem kranken Hirn vor sich geht.«
    Â»Mag sein. Aber ich habe trotzdem so meine Zweifel. Ich erinnere mich nämlich noch gut an die Zeit, als Martin Sievers mit seiner Frau ins

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