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Isegrim

Isegrim

Titel: Isegrim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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machen – schon gar nicht Jola Schwarz, die Küchenchaotin.
    Lotta kommt gegen vier und bringt selbst gebackenen Mohnkuchen mit, wenig später steht auch Thomas Bachmann im Garten. Er ist ein paar Zentimeter größer als mein Vater und mit seinem dichten Vollbart sieht er ziemlich verwegen aus. Schon nach kurzer Zeit merke ich, mit welch begehrlichen Blicken Tante Lotta ihn betrachtet.
    Hauptthema des Nachmittages ist die mysteriöse Dieberei im Dorf, wobei Thomas als Einzigem auffällt, dass anscheinend bisher niemand Wertsachen oder Geld vermisst. »Vielleicht sind es ja wirklich irgendwelche Kids, die sich im Wald einen Unterschlupf bauen.«
    Pa schaut mich fragend an. »Du bist doch auf deinen Streifzügen jeden Tag da draußen, Jola. Ist dir nichts aufgefallen?«
    Ich schiebe die Unterlippe nach vorn und schüttele den Kopf. »Nö, nicht dass ich wüsste.«
    Â»Hoffentlich treiben sich die Kids nicht im Sperrgebiet herum«, brummt Pa. »Ich habe im Augenblick einfach keine Zeit, um das Gebiet nach einer Bude abzusuchen.«
    Beim Abendessen wird es spannend und ich spitze die Ohren. In Thomas’ Revier am Starnberger See wurde vor einem halben Jahr ein Wolfsrüde überfahren. »Vor ein paar Tagen habe ich endlich die genetischen Untersuchungen der Universität Lausanne bekommen«, berichtet er. »Der junge Rüde stammte aus den italienischen Alpen, ich vermute, er ist auf der Suche nach einem neuen Revier von Italien aus nach Norden aufgebrochen. In zwei Monaten hat er eine Strecke von zweihundertfünfzig Kilometern zurückgelegt.« In Thomas Stimme schwingt Respekt. »Er war ein Einzelkämpfer, hat sich über die Alpen und durchs flache Land geschlagen und vielleicht hätte er es irgendwann zu seinen Artgenossen bis in die Lausitz geschafft und dort eine Gefährtin gefunden. Aber dann läuft der arme Kerl vor meiner Haustür einem Raser vors Auto.« Thomas schüttelt traurig den Kopf. »Wirklich schade, ich hätte gerne ein Wolfsrudel in meinem Revier gehabt. Aber nun muss ich wohl noch eine Weile länger darauf warten.«
    Ohne zu interessiert zu wirken, warte ich, was Pa darauf erwidern wird.
    Â»Ich weiß nicht, aber Wölfe kann ich in meinem Revier ganz bestimmt nicht gebrauchen.« Mein Vater runzelt die Stirn. »Raubtiere, die in unseren Lebensraum eindringen, bringen nichts als Probleme. Die Wälder hier in Thüringen sind zu klein, es gibt zu viele ungeschützte Nutztiere auf den Dörfern. Schau dir doch unseren Schäfer an, seine Tiere stehen nachts direkt am Waldrand. Die wären ein gefundenes Fressen für die Wölfe.«
    Tief enttäuscht sinke ich in mich zusammen. Ach, Pa, denke ich, ich habe anderes von dir erhofft. Nicht die Wölfe sind in unseren Lebensraum eingedrungen, sondern wir in ihren – nur dass das alle längst vergessen haben, weil es so lange her ist. Ich bin wahnsinnig erleichtert, noch nichts von der grauen Jägerin erzählt zu haben.
    Â»Komm schon.« Thomas winkt ab und trinkt einen Schluck von seinem Wein. »Du hast doch bloß Angst um deine Abschüsse, gib’s zu.«
    Pa windet sich ein wenig. »Ich habe keine Angst um meine Abschüsse, Thomas. Es gibt so viele Wildschäden und die Bauern sitzen mir im Nacken. Aber mit Sicherheit würden einige meiner Jagdkollegen den Wolf als Rivalen sehen, der ihnen die Beute im Wald streitig macht. Ich kann einfach keinen zusätzlichen Ärger brauchen.«
    Ich kaue auf meiner Unterlippe. Was er da sagt, klingt nicht unbedingt beruhigend.
    Â»Dann klär sie auf, Falk. Fang jetzt schon damit an. Du bist doch in erster Linie Förster und nicht Jäger. Erinnerst du dich noch daran, wovon wir geträumt haben während des Studiums? Wir wollten nach Kanada auswandern, Ranger werden in einem Nationalpark, mit Bisons, Elchen, Berglöwen und Wölfen.«
    Lotta zieht eine Augenbraue nach oben, so als könne sie nicht glauben, dass auch mein Vater einmal ein Mann mit abenteuerlichen Träumen gewesen ist. Und mir geht es nicht anders.
    Pa schüttelt mit einem verlegenen Lächeln den Kopf. »Ach, das waren wirklich nur Träume, Thomas.«
    Â»Na ja, wir sind zwar nicht nach Kanada ausgewandert, aber jetzt sind wir beide Förster und du hast hier ein ganz besonderes Revier mit uraltem Baumbestand und geschützten Tieren. Wildkatze und Birkhuhn sind schon da, Luchs und

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