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Isegrim

Isegrim

Titel: Isegrim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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zurück und lässt sich erschöpft auf die Decke fallen. »Oh Mann, das hat gutgetan«, seufzt sie. »Die Jungs sind unschlagbar mit ihren Instrumenten! Aber sag mal«, wendet sie sich im selben Atemzug an mich, »was war denn mit diesem Typen los, den Lisa und Clemens da bei dir abgeladen haben? Hat der ein paar Pillen zu viel eingeworfen?« Sie greift nach der Wasserflasche und trinkt in tiefen Zügen.
    Â»Keine Ahnung, er hat es mir nicht verraten.« Ich werfe Kai und Tilman einen triumphierenden Blick zu. Von wegen blühende Fantasie .
    Nachdem die Jungs von Carpe Noctem die Bühne geräumt haben, folgen Jimmy Glitschy, der einarmige Karusselbremser, und danach die Band Hasenscheiße aus Berlin, zu deren Musik alles tanzt, was Beine hat – sogar ich.
    Inzwischen tummeln sich auch ein paar Leute aus Altenwinkel und Eulenbach auf der Lichtung, die nicht in erster Linie wegen der Musik, sondern vor allem wegen des Bierwagens und der Mädchen gekommen sind. Vermutlich ist der »Jägerhof« an diesem Samstagabend wie leer gefegt und Gernot Schlotter hat nichts zu tun. Ich entdecke die Grimmer-Brüder und sogar Karsten und Caroline Merbach. Wahrscheinlich haben sie einen Babysitter für den Abend. Auch Tobias Zacke ist da, mit Luzifer, der seinen Maulkorb trägt und einen harmlosen Eindruck macht.
    Magnus steht schon seit geraumer Zeit vor der Bühne und bewegt sich wie ein Tanzbär, obwohl zurzeit gerade umgebaut wird und nur Musik aus der Konserve läuft. Eine Frau steht neben ihm und wiegt ihre Hüften. Als sie sich umdreht, erkenne ich Laura, die er heiraten wollte, bevor der Granatsplitter der Taliban seinen Verstand beschnitt. Sie sieht hübsch aus und gar nicht traurig. Sie neckt Magnus und er grinst schief. Die Jeans und das weiße Leinenhemd, das er trägt, stehen ihm richtig gut.
    In der letzten Abendsonne steigt Phil Schoenfeldt, der Engländer aus Prag, mit seiner Band auf die Bühne. Melancholische Songs von dunkler, verwunschener Atmosphäre kommen aus den Boxen und ich finde, es ist die perfekte Untermalung für die hereinfließende Dämmerung. Doch nicht nur Schoenfeldts Musik erzeugt Gänsehaut. Nachdem die Sonne hinter den Baumwipfeln verschwunden ist, sinkt die Temperatur rapide und ich wünschte, ich hätte meine Jeans an und keine dünnen Strumpfhosen.
    Plötzlich wird es schlagartig still und auf der Bühne herrscht Dunkelheit. Wie sich nach ein paar verwirrenden Minuten herausstellt, ist eine der drei Phasen der Zuleitung aus dem Dorf ausgefallen.
    Gelächter und Gemurmel erfüllen die Dunkelheit. In Windeseile muss jemand gefunden werden, der an den Verteilerkasten im Dorf kommt, für eine halbe Stunde herrscht einiger Tumult auf dem Platz, bis das Problem behoben ist und die Musiker mit ihrem Song »Darkest Hour« weitermachen können.
    Kai hat mir sein Sweatshirt geliehen, trotzdem friere ich und habe genug, aber er will auch noch die letzte Band hören. Nach einer weiteren halben Stunde gibt auch er auf. Mit meiner kleinen Taschenlampe treten wir den Heimweg an.
    Kais Hand, die meine Hand hält, ist warm und noch vor ein paar Wochen hätte sie auch meine Seele gewärmt. Doch an diesem Abend gehört Kai nur meine Hand, während meine Gedanken sich in Oleks Lächeln sonnen und in seiner Stimme mit dem fremden Akzent, die meinen Namen flüstert.
    Diesmal nehmen wir einen anderen Weg als gewöhnlich, der uns an einem raschelnden Maisfeld entlangführt, denn Kai will noch nach der zweiten Schafherde seines Vaters schauen. Ein Knacken aus dem Wäldchen hinter der Bühne lässt uns zusammenzucken. Kai schwenkt den Strahl der Taschenlampe in die Richtung, aus der das Geräusch kam. Auf einem schmalen Waldweg, halb verborgen hinter Sträuchern, steht ein kleiner Jeep, den ich sofort erkenne.
    Â»Was macht der denn hier?«, rufe ich aus.
    Â»Wer denn?«
    Â»Das ist Trefflichs Jeep.«
    Â»Wahrscheinlich sitzt er mit den anderen am Bierwagen und lässt sich volllaufen«, meint Kai.
    Â»Aber ich habe ihn dort nicht gesehen, er wäre mir ganz bestimmt aufgefallen.«
    Â»Mein Gott, Jola, du kannst den Typen nicht ausstehen und denkst sofort etwas Verwerfliches, sogar wenn du nur sein Auto irgendwo stehen siehst.«
    Ich lasse Kais Hand los, der letzte Rest Wärme verschwindet. »Ich wette, er läuft hier irgendwo mit seiner dämlichen Schrotflinte

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