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Isegrim

Isegrim

Titel: Isegrim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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Eintritt zu teuer? Siebzehn Euro für neun Bands, das macht knapp zwei Euro pro Band – ein echtes Schnäppchen. Doch wo sind all die jungen Leute aus den umliegenden Dörfern?
    Als Carpe Noctem ihre Instrumente stimmen und Soundcheck machen, setze ich mich auf. Die Jungs aus Jena spielen Metal und Rockmusik auf klassischen Instrumenten und ihre Musik trifft genau meinen Nerv. Sie passt. Abgesehen davon, dass die fünf auch noch um die zwanzig sind und super aussehen.
    Als der Geiger den Bogen ansetzt, bin ich wie elektrisiert. Die wilde Musik trägt mich weg von den anderen, ich vergesse, wo ich bin. Geigenklang und Cellotöne verwandeln mich. Von Jola Schwarz in eine Wölfin mit rötlich grauem Fell. Für einen Moment bin ich sie, die Herrin des Waldes. Federleicht jage ich über eine Lichtung, meine Pfoten berühren kaum den taunassen Boden.
    Die Bögen der beiden Cellisten entlocken den Instrumenten tiefe, erdige Töne, in denen ich die Tiere des Waldes wiedererkenne. Fuchs, Reh und Baumfalke. Ich wittere Beute, ein Rehkitz mit dünnen Beinen und großen Ohren. Aber was ist das? Ein Mann mit einer Flinte!
    Plötzlich ein Misston – wie ein Gewehrschuss. Dem Geiger ist eine Seite gerissen. Ich reiße die Augen auf und werde jählings aus meinem Film katapultiert. Bis die Saite im Tourbus gefunden und aufgezogen ist, vergehen ein paar Minuten, doch dann erklingt erneut mittelalterlicher Heavy Metal aus den Boxen und die Haare des Geigers fliegen, als würde er vor Tausenden kreischenden Fans in Roskilde auf der Bühne stehen und nicht auf einem waldigen Hügel hinter Altenwinkel.
    Ich beobachte Saskia beim Tanzen mit Marco und auf einmal durchfährt es mich wie ein Blitz, denn ich glaube, meinen Augen nicht zu trauen. Der junge Mann, der am linken Rand der Bühne halb verdeckt von einem Pfosten steht und ebenfalls die Tanzenden betrachtet, ist Olek, mein Waldelf. Er trägt dieselben abgerissenen Klamotten wie vor ein paar Tagen, als wir uns an der Wildsuhle begegnet sind.
    So ohne Pfeil und Bogen sieht er wie ein normaler junger Mann aus. Trotzdem spüre ich diese seltsame Aufregung, ein Kribbeln, als würden Hunderte Ameisen unter meiner Haut entlangrennen.
    Kai und Tilman sind in ein Gespräch vertieft. Verstohlen beobachte ich Olek, wie sein Blick an Lisa hängen bleibt, der hübschen Siebzehnjährigen mit dem lockigen weißblonden Haar, die aus Eulenbach stammt und in die Elfte geht. Lisa ist klein und zart – und sehr weiblich. Sie ist ein Wildfang, kann jeden Jungen des Arnstädter Gymnasiums haben, wenn sie nur möchte, und legt sich auch gerne mal mit den Lehrern an, wenn ihr etwas nicht passt.
    Das Kribbeln in meinem Inneren ist von einem auf den anderen Moment verschwunden, ich bin enttäuscht. Wieso macht es mir etwas aus, dass Olek Lisa so anstarrt? Ich bin mit Kai zusammen. Ich bin mit Kai zusammen hier. Ich habe mich für Kai schön gemacht. Was ist bloß los mit dir, Jola?
    Offensichtlich hat Lisa das Interesse des fremden Jungen bemerkt und flirtet mit ihm. Ich bin immer wieder überrascht, wie gut die Antennen bei anderen Mädchen funktionieren. Jetzt geht sie auf ihn zu und fordert ihn mit einem kecken Lächeln zum Tanzen auf. Greift sogar nach seiner Hand. Aber Olek zieht seine Hand zurück, er schüttelt den Kopf. Achselzuckend lässt Lisa ihn stehen. Sie ist es nicht gewohnt, einen Korb zu bekommen.
    Ein Gefühl von Genugtuung durchströmt mich und gleichzeitig wundert mich Oleks Reaktion. Warum starrt er Lisa so an und schlägt ihr den Tanz dann doch aus? Irgendetwas stimmt mit ihm ganz und gar nicht. Und ich würde zu gerne herausfinden, was es ist.
    Â»Hat jemand Hunger?«, frage ich und stehe auf. Die beiden Jungs schütteln die Köpfe. »Dann bis später, ich hole mir mal was zu essen.«
    Ich reihe mich in die Schlange vor dem Essenszelt, bekomme eine Schüssel mit Erbsensuppe und eine dicke Scheibe duftendes Brot. An einem der massiven Holztische am Rand der Bühne löffle ich meine Suppe und halte wieder nach Olek Ausschau. Überraschend entdecke ich ihn nun doch unter den Tanzenden, zwischen Lisa und Clemens und zwei anderen Mädchen. Seine Bewegungen sind wild, sein zerzaustes Haar fliegt ihm um den Kopf und wieder wundere ich mich über ihn: Woher kommt der plötzliche Stimmungsumschwung?
    Lisa tanzt um ihn herum, dreht sich dabei um die eigene Achse und

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