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Isenhart

Isenhart

Titel: Isenhart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holger Karsten Schmidt
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der klerikalen Hierarchie um einiges übertrafen.
    Sie vertrieben sich die halbe Nacht damit, darüber zu sinnieren, welche Folgen – langfristig wohlgemerkt – der Samenerguss nach sich ziehen könnte. Einer wusste von einem Jüngling aus der Lombardei zu berichten, dem nach ungezügelter Onanie die Hand abgefallen war.
    Ein anderer, älterer Geistlicher verblüffte seine Weggefährten mit der Beobachtung, dass die maßlose Geilheit vor allem von den geistig Ärmsten ausgelebt wurde. Und je dümmer sie waren, fuhr der Geistliche fort, desto wehrloser schienen sie ihren Trieben ausgeliefert zu sein. Ja, er wagte die These, dass zwischen der Frequenz von sexuellen Höhepunkten und der fortschreitenden Verblödung ein Zusammenhang existieren musste.
    Ein unerhörter Gedanke, wie Hieronymus fand, der seinen Worten gelauscht hatte. Unerhört überzeugend.
    »Es macht dumm? Wieso?«, entgegnete Konrad in einer Mischung aus Furcht und Ablehnung, denn auf der einen Seite wollte er nicht der Debilität anheimfallen, auf der anderen Seite aber auch nicht auf die Freuden verzichten, die die körperliche Ekstase ihm bereiteten.
    Hieronymus atmete einmal tief durch. Er war nicht sonderlich geübt darin, über solcherlei Dinge zu referieren. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte das einvernehmliche Halten der Hand von Mann und Frau genügt, um Kinder zu zeugen. Das brachte weniger Scherereien mit sich, so viel war sicher.
    »Der Mann gibt dabei ja Samen von sich.«
    »Und?«
    »Das weißt du also?«
    »Ja«, erwiderte Konrad ungeduldig, »das kann einem ja schwerlich entgehen, oder?«
    »Zügle deine Worte«, ermahnte Hieronymus ihn.
    Konrad seufzte, nickte dann aber. »Ich zügle.«
    »Gut. Und weißt du auch, woher der kommt?«
    »Der Samen?«
    »Wonach hab ich sonst gefragt?«
    »Nein, weiß ich nicht. Keine Ahnung. Aus den Lenden?«
    »Nein. Und das ist der springende Punkt. Es gibt wohl im Manne Leitungen, so wie Röhren …«
    »Ich weiß, was Leitungen sind«, unterbrach Konrad.
    »Also gut. Diese Leitungen führen vom … du weißt schon, wovon.«
    »Ich weiß, wovon.«
    Hieronymus war erleichtert, die Bezeichnung der Geschlechtsteile ging ihm seit jeher nur schwerlich über die Lippen.
    »Sie führen vom Hm-hm direkt zum Rückgrat.«
    »Ihr nennt das Hm-hm?«
    »Das ist jetzt nicht wichtig! Also: Diese Leitungen führen zum Rückgrat«, fuhr Hieronymus fort, der wahrnahm, wie ihm langsam der Schweiß auf die Stirn kroch.
    »Aber was hat das mit ›dumm‹ zu tun? Worüber sprechen wir hier eigentlich?«
    »Lass mich doch ausreden, zum Kuckuck!« Die Ader unter der Stirnhaut begann wieder zu pulsieren.
    »Ihr habt das Wort«, sagte Konrad daher ohne jeden Spott.
    »Sehr freundlich« kommentierte der Geistliche beherrscht, um sogleich fortzufahren, »sie führen zum Rückgrat, das der Zugang zum Gehirn ist.«
    Konrad war in Anatomie – außer jener, die er im Zuge von Spiras Nachtleben betrachten und eingehend erkunden konnte – keinen Fingerbreit bewandert.
    »Dein Mannessaft steht in engem Zusammenhang mit deinem Kopf. Jedes Mal, wenn du … wenn du also …«
    »Etwas davon abgibst «, half Konrad aus, und Hieronymus nickte dankbar.
    »Genau: etwas davon abgibst. Dann kannst du jedes Mal weniger gut denken.«
    Konrad zeigte sich einigermaßen bestürzt. »Mit jedem Mal kann ich weniger gut denken?«
    Hieronymus nickte feierlich: Endlich war es raus. »Richtig. Man verblödet.«
    Konrad blickte sich nach links und rechts über die Schulter, ob ihnen auch niemand zuhörte. Dann wandte er sich wieder anHieronymus. »Das ist es mir wert«, entgegnete er und schritt davon.
    Mit nacktem Oberkörper standen Henrick, Isenhart und Konrad in der Scheune. Sie ließen die Dreschflegel auf die Kornähren fahren, die Sophia und Marie mit Hieronymus’ Hilfe eingefahren hatten. Mit schartigen Sicheln in den Händen hatten sie im Morgengrauen die Unterkünfte verlassen und sich auf das Feld begeben, um den Kornpflanzen zu Leibe zu rücken, bevor die Sonne ihnen in den Mittagsstunden die harte Arbeit zur Qual werden ließ.
    Stetig führten Marie und Sophia in gebückter Haltung die Sichel gegen die Pflanzenstiele und fällten Ähre um Ähre. Waren um die Hundert zu Fall gebracht, bündelten die jungen Frauen sie, während die Sonne ihnen auf dem Rücken brannte und allerlei Insekten sie umschwirrten, zu einem dichten Strauß, der anschließend im oberen Stockwerk der Scheune auf der Tenne gedroschen wurde.
    Der Schweiß rann

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