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Isenhart

Isenhart

Titel: Isenhart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holger Karsten Schmidt
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Menschen zweiter Wahl änderte, da sie seit Anbeginn der Zeit dem Mann untertan waren.
    Doch sie zogen alle an einem Strang, weil die Vorkommnisse in der Burg Laurin sie zu einer Schicksalsgemeinschaft bestimmt hatten.
    Lag es in der Natur von Schicksalsgemeinschaften, sich nach einer bewältigten Krise wieder aufzulösen, verhielt es sich hier anders. Sie alle sahen in Heiligster einen Vorteil.
    Isenhart stieß einen hellen, andauernden Pfiff aus, der sich über drei Intervalle erstreckte. Obschon er ein lausiger Sänger war, traf er den richtigen Ton. Nur wenige Augenblicke später hörten Konrad und Isenhart über sich ein Rauschen, das von einem Flügelschlag herrührte. Ein Schatten durchschnitt die Luft, raste in der Geschwindigkeit des Sommerwindes auf sie zu und nahm auf Isenharts Schulter Platz. Ein ansehnlicher schwarzer Vogel krallte sich in das Kettenhemd und fand dort jenen Halt, den ein Kolkrabe bei sanfter Gangart benötigte, um eine würdevolle Haltung einzunehmen.
    Das Pferd scheute nicht, zu oft hatte er sie schon bei ihren Ausflügen begleitet.
    Isenhart hatte während ihrer ersten Tagen in Heiligster gefunden. Der schwarze Vogel war in einen mörderischen Kampf mit einerKatze verwickelt. Mit gebrochenem Flügel dem Erdboden verhaftet und der Dimension des Himmels beraubt, erwehrte er sich mutig und trickreich seines Gefieders. Zunächst überließen Konrad und Isenhart der Natur den Lauf der Dinge, was keiner Herzlosigkeit entsprang. Tiere waren eben Tiere. Man hielt sie, weil sie Milch gaben oder später als Nahrung dienten. Oder man wich ihnen aus, weil sie in Form von Schwarzbären oder Wolfsrudeln eine Gefahr darstellten. Mit Ausnahme des Rehkitzes, das Konrad damals erlöst hatte, kümmerten Tiere einen einfach nicht. Sie waren nur auch da, das war alles.
    So wie Blumen, die zu nichts taugten und daher als Unkraut wahrgenommen wurden. Wenn leuchtend roter Klatschmohn sich im seichten Wind wog, war er dem Bauern in etwa so willkommen wie ein Hexenschuss.
    Als Isenhart etwa eine Stunde später ins Dunkel des Winterabends trat, um sich zu erleichtern, umkreiste die Katze, die nun am Ohr blutete, immer noch den Raben, der die erneute Attacke abwartete. Eine zweite Katze gesellte sich dazu und ging im Rücken des Raben in die geduckte Sprungstellung. Es hätte Isenhart einerlei sein können. Doch war er von der Wehrhaftigkeit des schwarzen Vogels beeindruckt. Sich verletzt gegen zwei Feinde durchzusetzen, wäre ihm nicht lange geglückt.
    Isenhart verscheuchte die beiden Katzen, bevor er den Kolkraben auf den Arm nahm, der ihn zum Dank laut zeternd mit dem Schnabel traktierte. Mit einiger Mühe schiente der junge Schmied dem Raben den Flügel, der offenbar gebrochen war.
    »Was stimmt nicht mit dir, Isenhart?«, fragte Konrad, der ansonsten für die neue Marotte des Freundes nur ein Kopfschütteln übrighatte, während Sophia der Gedanke, einen Raben zu halten, faszinierte.
    »Sie sind Pechvögel«, warnte Hieronymus ihn, und dabei begann seine Ader auf der Stirn wieder zu pulsieren, »sie bringen Unglück.«
    In Henrick fand Isenhart natürlich einen fachlich Interessierten. Einzig der Umstand, dass der Rabe sich als Allesfresser entpuppte, der Äpfel, Nüsse und Insekten vertilgte, aber auch Aas, Mäuse und vor allem Eier, führte bei Henrick zu einer gewissen Skepsis.
    »Warum denn einen Namen?«, fragte Konrad seufzend. Er fand, Isenhart machte ein wenig zu viel Aufhebens um diesen Vogel, der nach etwa zwei Wochen begonnen hatte, sein Mahl in Reichweite von Isenharts Armen einzunehmen, ohne davonzuhüpfen. Nun sollte dieser schwarz gefiederte Krächzer auch noch einen Namen erhalten. Noch nie war Konrad von Laurin etwas so Abwegiges zu Ohren gekommen. Man gab doch Tieren keinen Namen!
    Hieronymus und er waren ausnahmsweise einer Meinung.
    »Dieser Vogel heißt ›Rabe‹«, sagte der Geistliche, während er mit Konrad am Fluss saß und angelte, »das ist sein Name. Warum soll er jetzt noch einen bekommen?«
    Konrad deutete ein Achselzucken an: »Ihr kennt ja Isenhart. Was soll ich da noch sagen?«
    »Reden Tiere etwa?«, fuhr Hieronymus mit pulsierender Stirnader fort, »sprechen sie uns vielleicht mit Namen an? Wozu soll ein Name gut sein?«
    Da kam es gerade recht, dass Marie und Isenhart zu ihnen stießen und Köder an ihren Angelschnüren befestigten.
    »Warum willst du diesem Unheilsvogel einen Namen geben?«, wandte Hieronymus sich direkt an den jungen Mann.
    »Damit er einen hat«,

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