Isenhart
antwortete Isenhart und hielt ihm den Büschel roter Haare entgegen.
»Rote Haare«, konstatierte Günther von der Braake, »und weiter?«
»Die Wirtstochter hielt sie in ihrer Hand umklammert. Sie wird sich gewehrt haben.«
»Also hat der Mörder rote Haare«, schloss Henning.
Kurz zog, einem angenehmen Geruch gleich, Stille durch den Stall.
»Da war einer«, brach Haintz das Schweigen mit aufgeregter Stimme, »ein Gast mit roten Haaren.«
Sein Sohn nickte: »Er ist sehr früh abgereist.«
Er deutete an das Ende des Stalls: »Dort stand sein Pferd.«
Während Günther von der Braake und Konrad diese Stelle in Augenschein nahmen, sahen Isenhart und Henning dazu keinerlei Veranlassung, wie sie beide mit einem Seitenblick feststellten. Eine leere Stelle war eben eine leere Stelle.
»Wohin wollte er reisen?«, richtete Isenhart exakt die Frage an die Wirtsleute, die auch Henning auf der Zunge gelegen hatte.
»Über den Rhein und dann hinunter nach Regensburg«, antwortete Kuntz.
Eine Anspannung ergriff sie alle. Isenhart, der neben Henning stand, nahm wahr, wie der Sohn des Medicus sich ein wenig versteifte.
»Wann ist er von hier verschwunden?«, fragte Henning.
»Gegen fünf, würde ich sagen«, antwortete Kuntz.
»Dann hat er sieben Stunden Vorsprung«, stellte Konrad fest, »wenn er sich beeilt hat, kann er schon Bruchsal hinter sich gelassen haben.«
Niemand widersprach.
»Hat er die Zeche geprellt?«, wollte Isenhart wissen.
Kuntz schüttelte den Kopf. Sein Vater kramte zwei Kupferpfennige hervor, aber bis auf Isenhart nahm sie keiner näher in Augenschein. Er streckte die Hand nach ihnen aus, aber Haintz schloss dieFinger und zog seine Hand wieder zurück. Empörung lag in seinem Blick.
»Ich glaube«, mischte Henning von der Braake sich ein, »der Wachmann Isenhart wollte sie nur ansehen.«
Haintz blinzelte kurz, dann siegte die Verlegenheit und er errötete. Anschließend reichte er Isenhart die Pfennige, der einen von ihnen ins Licht hielt.
»Worms«, stellte er fest, »der Mörder war in Worms.«
Henning runzelte die Stirn. »Woher wollt Ihr das wissen?«
Isenhart trat an ihn heran und reichte ihm den Pfennig. »Worms hat das kaiserliche Recht zur Münzprägung«, er deutete auf den Pfennig, »der Bischofsstab. Nur die Münzpräge zu Worms kennzeichnet ihre Münzen damit.«
Henning senkte die Hand, sein Blick traf den Isenharts. Ein Mensch mit einem derartigen Assoziationsvermögen war ihm bis dahin noch nicht begegnet, obwohl er in vielen, einsamen Stunden diesbezüglich etliche Gebete zum Herrgott gesandt hatte.
»Er kann die Pfennige für einen Handel in der Hammaburg erhalten haben, von einem Franken, der die Münzen zum Tausch von einem Iberer bekommen hat«, wandte Günther von der Braake ein.
Henning war gespannt auf die Antwort des Wachmannes.
»Möglich«, antwortete der, »aber nicht wahrscheinlich.«
»Einen Namen hatte dieser Gast nicht?«, fragte Henning den Wirt.
»Aberak von Annweiler«, antwortete Haintz, aber niemandem war dieser Name geläufig.
»Hat er ein Wort darüber verloren, was seine Profession ist?«, fragte Günther von der Braake.
»Nein, aber er wollte in Regensburg Seide kaufen.«
Keiner der Anwesenden stutzte wegen dieses Ansinnens. Obwohl eine Route der Seidenstraße, von China ausgehend, nach gut 800 Meilen in Konstantinopel am Goldenen Horn endete, war es für einen Händler durchaus möglich, die kostbaren Seidenfasern in der bayerischen Hauptstadt zu erwerben.
»Also ist er Händler oder Weber«, schloss Henning von der Braake.
»Und er hat nur einen Arm«, ließ Haintz sie wissen und fügte, als er in vier verblüffte Gesichter sah, eine Spur verlegen hinzu: »Hatte ich das noch nicht gesagt?«
Sie überließen Haintz und Kuntz das Waschen der Toten und gaben den Leichnam Liliths zur Beerdigung frei.
Einig über die Monstrosität dieses Verbrechens – keiner von ihnen hatte je etwas Abscheulicheres gesehen, wie sie einander versicherten, wobei Isenhart und Konrad es mit einem beifälligen Nicken bewenden ließen –, beschlossen sie, Aberak von Annweiler zu verfolgen.
»Er wird sich über die Handelsstraße über Mulenbrunnen nach Cannstatt bewegen«, mutmaßte Günther von der Braake. Konrad und Isenhart genügte ein kurzer Blick, um festzustellen, dass ihnen dasselbe durch den Kopf schoss.
»Wenn wir über Helibrunna reiten«, warf Isenhart ein, »kürzen wir den Weg nach Cannstatt um fast ein Drittel ab. Vielleicht erreichen wir
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