Isenhart
schloss Isenhart, hatte als Mordinstrument eine Art langen Nagel verwendet und ihn der Unglücklichen weit in den Hinterkopf getrieben. Zu dem zweiten Stich konnte er sich nur veranlasst gefühlt haben, weil die Wirtstochter nach der ersten Attacke noch am Leben war. Was wiederum den Schluss zuließ, dass der zweite Stich der tödliche gewesen war. Außer, es handelte sich um eine Waffe mit zwei symmetrisch angeordneten Spitzen.
Ein Schatten legte sich über die Tote, den Konrad verursachte, weil er neben ihn getreten war und mit seinem Rücken einen jener Lichtstrahlen abfing, die durch die Ritzen der Holzmauer fielen.
»Was hast du gefunden?«
Isenhart legte es ihm auseinander. Der Mörder hatte Lilith mit zwei Stichen in den Hinterkopf getötet, bevor er sich darangemacht hatte, ihr das Herz zu entnehmen.
Da sie beide kurz verharrten, kehrten die unzähligen Fliegen zurück. Isenhart vollführte eine hektische Geste, um sie zu verjagen. Dann drehte er den Körper der Toten mit Konrads Hilfe wieder auf den Rücken.
»Sie hat ihrem Mörder vertraut, oder sie wurde im Schlaf getötet.«
Isenharts Schlussfolgerung rief drei erstaunte Gesichter hervor.
»Wieso?«, fragte Kuntz.
»Weil man deiner Schwester zweimal in den Hinterkopf gestochen hat, um sie zu töten. Wenn es ein Fremder war, hat er sie wahrscheinlich im Schlaf umgebracht. Aber das glaube ich nicht.«
Den Grund für seine Vermutung nannte er nicht; Anna ging den Wirt und dessen Sohn nichts an.
»Ich kann nicht glauben, dass es jemand war, den Lilith gekannt hat«, stieß Haintz hervor, bei dem dieser Gedanke für einige Aufregung sorgte.
»Nun ja«, entgegnete Isenhart sanft, »es war Nacht. Deine Tochter kam zwischen Mitternacht und der sechsten Stunde ums Leben. Irgendwann innerhalb dieser Zeitspanne hat der Mörder sie aufgesucht. Was also soll sie bewogen haben, ihm den Rücken zuzuwenden, wen sie ihm misstraut hat?«
Das leuchtete auch den anderen ein.
Isenhart kam noch ein weiterer Gedanke, der vielleicht erklärte, weshalb der Täter seine Attacke recht ungehindert hatte ausführen können. Möglicherweise hatte er sie mit Hanfseilen gefesselt, sodass ihr eine Gegenwehr versagt blieb. Als Isenhart seine Augen auf die Handgelenke der Toten richtete, konnte er allerdings keinerlei Blutergüsse feststellen. Dafür fiel ihm aber etwas anderes auf: Liliths linke Hand war geöffnet, die rechte fest geschlossen. Die schmutzigen Nägel der Finger hatten sich schmerzhaft tief in den Handballen getrieben.
Beim Versuch, ihr die Hand zu öffnen, um das Geheimnis der Faust preiszugeben, kam ihm die Leichenstarre in die Quere. Sosehr er sich auch bemühte, die Finger nach außen zu biegen, es gelang ihm nicht. Isenhart begriff, dass er all seine Kraft aufwenden und ihr die Fingerglieder brechen musste. Was per se schon einewenig angenehme Vorstellung war, erhielt durch die Anwesenheit von Vater und Bruder eine besonders unangenehme Note.
Sein geschärfter Blick kam Isenhart unerwartet zu Hilfe, als er feine, rote Linien erkannte, die aus der geschlossenen Hand hervorlugten. Vorsichtig zog er daran und brachte einen kleinen Haarbüschel zum Vorschein, den er ins Licht hielt, während das Geräusch der Hufe zweier Pferde, die sich näherten, an seine Ohren drang.
Rote Haare.
Sie hat mit ihrem Mörder gekämpft.
Konrad beugte sich zu den Haaren hinab, und als Isenhart das bemerkte, reckte er sie ihm entgegen.
»Sie hat sich gewehrt«, stellte Konrad leise fest, warf aber im gleichen Atemzug dem Freund einen unsicheren Blick zu, der nun nickte: »Hat sie.«
In diesem Augenblick traten zwei Männer in den Stall.
Der Jüngere ging voran. Er trug wie sein Begleiter feinstes farbiges Leinen, das sich nahezu perfekt den Formen seines Körpers anpasste. Er wischte die schwarzen vollen Strähnen aus seinem blassen Gesicht, das ein wenig feminin wirkte. Weiche Züge, in deren Zentrum sich zwei blaue hellwache Augen befanden, die wirkten, als könne ihnen rein gar nichts entgehen.
Sein Begleiter war bestimmt doppelt so alt, und obwohl auch er teuer betucht war, ließ doch das Ende seines Hemdes, das an der Seite aus dem Wams hing, wie auch das ungepflegte Haar, das sich unter einem flachen Hut in alle Richtungen kräuselte, auf einen Mann schließen, der seinem Äußeren mit einer Spur Nachlässigkeit begegnete. Was Isenhart nicht unsympathisch war, da es ihn an Walther von Ascisberg erinnerte.
Die Augen des Jüngeren hefteten sich umgehend auf das tote
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