Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Isenhart

Isenhart

Titel: Isenhart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holger Karsten Schmidt
Vom Netzwerk:
hatte Isenhart sich entschlossen, seinen Dialog mit Gott auszusetzen.
    Sie ritten direkt zu dem Stadttor, das in einen gut 150 Fuß hohen Wachturm eingelassen war, über eine breite Prachtstraße, die sich über zweitausend Fuß bis zum Domus sanctae Mariae Spirae zog, dem größten christlichen Bauwerk jener Zeit, wenn man die Kathedrale von Cluny dabei unterschlug, was Isenhart getrost tun konnte, denn sie war ihm unbekannt.
    Vor knapp 120 Jahren war Heinrich IV . von hier nach Canossa aufgebrochen, um die Auflösung des päpstlichen Bannes zu erbitten, wie jedes Kind in Spira zu berichten wusste.
    Der Dom erhob sich unübersehbar in den Abendhimmel, den die Sonne in Brand gesetzt hatte.
    »Wie sollen wir vorgehen?«, fragte Isenhart.
    »Nun, Ihr könnt Euren Dienst antreten, und mein Sohn und ich werden sehen, was wir tun können, um diesen von Annweiler hier aufzuspüren«, schlug Günther von der Braake vor.
    Konrad brummte Zustimmung, sie waren für die Nachtwache am Osttor eingeteilt, deren Eintönigkeit er mit ein paar Würfelrunden unter Wachmännern begegnete. Beim letzten Mal hatte er einiges an Geld gewonnen, er hoffte, seine Glückssträhne heute Nacht fortsetzen zu können.
    Das Stadttor im Osten fungierte in den Nachtstunden nicht als Ausgang, es sei denn, man öffnete es für einen Lebensmüden. Einlass erbaten für gewöhnlich auch nur eine Handvoll Trottel, die es nicht vor Einbruch der Nacht in die Stadt geschafft hatten. Die einen jammerten nur kurz, die anderen etwas länger, bis sie sich allesamt endlich ihres Geldbeutels entsannen, um die Wachleute, die angehalten waren, wirklich niemanden passieren zu lassen, mildtätig zu stimmen.
    »Ich will helfen, ihn zu fassen«, stellte Isenhart zur Überraschung Konrads und Günthers fest. Henning hingegen hatte sich bereits daran gewöhnt, von diesem Wachmann der Stadt überrascht zu werden, in diesem Sinne war er gewappnet.
    »Aber wozu?«, fragte der Medicus.
    »Damit er seiner Strafe zugeführt wird.«
    »Wie könntet Ihr uns dabei dienlich sein, Isenhart?«, baute Henning ihm wohlwollend eine Brücke. Eine Geste, die Isenhart keineswegs entging.
    »Wenn Aberak von Annweiler sich auf dem Weg nach Annweiler befindet, ist es wahrscheinlich, dass er die Nacht hier verbringt.«
    »Spira ist groß«, wandte Günther von der Braake ein.
    »Er ist Händler«, fuhr Isenhart unbeirrt fort, »er bezahlt mit Münzen statt mit Naturalien.«
    »Und was tut das zur Sache?«, fragte Konrad, der zwar nicht wusste, worauf Isenhart hinauswollte, der aber spürte, wie sich die Wahrscheinlichkeit des gemütlichen Würfelabends, der ihm vorschwebte, mit jedem Wort seines Freundes verminderte.
    »Das bedeutet, er schläft nicht bei den Armen an der Mauer, sondern er schläft in einem Gasthaus – oder bei Verwandten. Wir brauchen nicht alle Wachleute am Tor, die meiste Zeit wird sowieso beim Würfelspiel verplempert.«
    »Nun ja«, beschwichtigte Konrad, »das kommt wirklich nur vereinzelt und höchst selten …«
    Aber Isenhart unterbrach ihn: »Mit den Wachmännern können wir die Schänken durchkämmen. Wir haben seinen Namen, er trägt rote Haare und ist einarmig – ein Mann, der jedem auffällt.«
    »Ich weiß nicht«, merkte Konrad an.
    »Das ist ein guter Vorschlag«, brachte Henning von der Braake gleichzeitig hervor.
    Günther von der Braake war wankelmütig geworden. Für gewöhnlich schlichteten Wachleute Streit, sorgten für Ordnung und hatten ein Auge auf jene, die man in den Türmen einsperrte. An dem Aufspüren eines Verbrechers waren sie dagegen in der Regel nicht beteiligt. Aber warum nicht eine Ausnahme machen?
    Also nickte er.
    Konrad teilte dem Hauptmann mit langem Gesicht den Plan für die Nacht mit, der ihm daraufhin die Hälfte der Wachmannschaft für das Vorhaben überließ und die restlichen Wachleute auf den Namen und die Gestalt Aberaks von Annweiler einschwor, falls dieser von den Nachstellungen Wind bekäme und sich abzusetzen gedachte.
    Zur selben Zeit suchte Günther von der Braake den Bischof von Spira auf, den er unterhalb des Doms in der Hallenkrypta antraf, wo Otto II . von Henneberg der toten deutschen Kaiser gedachte, deren Grablege sich hier befand.
    Henning begleitete Isenhart durch die Gassen der Stadt auf ihrem Weg zum Judenplatz. Wie von Isenhart erhofft, trafen sie dort auf Simon Rubinstein, der sich zu dieser späten Stunde noch in der Synagoge aufhielt, in der er im Angesicht des Aron ha-kodesch betete, des heiligen

Weitere Kostenlose Bücher