Isenhart
Morgenstunden zu einem Kaufmann gerufen, dem ein Pferd beim Austreten den Brustkorb zertrümmert hatte. Obwohl er annahm, für den armen Mann nichts mehr tun zu können, eilte er trotzdem zum Haus des Verletzten und ließ durch einen Boten im Dom um einen Priester samt Sterbesakramenten ersuchen.
Konrad mochte an den erfolgreichen Ausgang der Unternehmung, die Henning und Isenhart im Morgengrauen beschlossen hatten, nicht glauben, weshalb er in Spira zurückblieb.
»Um die Augen offen zu halten«, wie er sich ausdrückte. Doch Isenhart ahnte den wahren Grund seiner Zurückhaltung. Falls es gelang, Aberak von Annweiler zu fassen und vor ein Gericht in Spira zu stellen, würde sich im Zuge des sicherlich kurzen Prozesses folgerichtig die Unschuld von Alexander von Westheim herausstellen. Was das Gottesurteil in der Burg Laurin, das Konrad von seinem Vater eingefordert hatte, infrage stellen würde.
Isenhart verübelte Konrad seine Reaktion nicht, vielmehr nahm sie ihn für ihn ein, ließ sich an ihr doch seine Angst ablesen, an der Hinrichtung eines Unschuldigen teilgenommen und – schlimmer noch – sie mit Gottes Hilfe erzwungen zu haben. Mochte er auch alles daransetzen, den Eindruck zu erwecken, der Tod des fahrenden Händlers sei ihm einerlei, eröffnete gerade die Verkrampftheit seiner Bemühung Isenhart den Blick auf sein gutes Herz.
Östlich von Spira stießen Henning und Isenhart auf einen Trupp von unberittenen Männern, die links und rechts des Weges lagerten, Dreschflegel und auch Lanzen bei sich führten und ihnen den Weg versperrten.
Sie boten ihnen ihren Schutz für eine Strecke von drei Meilen an und bezifferten den Wert ihrer Begleitung auf eine Mark, was Isenhart als Wucher erschien. Überhaupt machten Kleidung und Bewaffnung nicht den Eindruck einer aufeinander eingespielten Schutztruppe, sondern den von heimatlosen Wegelagerern.
Die verstohlenen Blicke auf die Provianttaschen und die beiden Pferde blieben auch Henning von der Braake nicht verborgen. Er schenkte ihnen zu Isenharts Verwunderung ein freundliches Lächeln und ging umgehend auf ihr Angebot ein. »Wir sind Abgesandte der Kaufmannszunft zu Spira und auf dem Weg über Hambach nach Annweiler, um auf Burg Trifels lagernde Edelsteine abzuholen.«
Die Männer vor ihnen bekamen große Augen, die Blicke flogen hin und her.
»Davon werden wir eine Passage von drei Handelsschiffen aus Genua begleichen. Ihr scheint mir ortskundig und aufrecht«, sagte er und stieg vom Pferd, um mitten unter sie zu treten. Isenhart spannte sich unwillkürlich.
»Von Hambach nach Annweiler werden wir eskortiert, und der Schutz steht uns auch auf dem Rückweg zu. Aber für die Reise bis Hambach und von Hambach zurück nach Spira sind wir ohne Begleitung. Ich schlage euch ein Geschäft vor: Ihr sorgt für unsere Sicherheit, und in Spira entlohnen wir Eure Dienste mit einem Rubin, so groß wie ein halbes Hühnerei.«
Die Männer konnten ihr Glück, das ihnen diesen Tölpel direkt vor die Füße spülte, kaum fassen. Endlich hatte der Allmächtige ein Erbarmen und würde sie – nach einem beherzten Schnitt durch zwei schlafende Kehlen – zu Besitzern eines Schatzes und reichen Männern machen. Alles, was sie tun mussten, war die beiden in Sicherheit zu wiegen, bis man sich ihrer irgendwo auf dem Rückweg zwischen Hambach und Spira entledigte. Und obendrein würden sie zwei Pferde dazugewinnen.
Kurz nur, die Dauer eines Wimpernschlags vielleicht, warf Henning Isenhart einen Blick zu, ein Lachen stand in seinen Augen, eine so aufrichtige Freude darüber, diese Halsabschneider ihrerseits hereinzulegen, dass Isenhart sich ein Schmunzeln verkneifen musste. Es war gewagt, aber nicht riskant, denn ihr Hinweg warjetzt abgesichert, diese herrenlosen Wegelagerer würden erst zur rasenden Meute werden, wenn sie den angeblichen Schatz aus Edelsteinen eskortierten.
Natürlich hätten sie die Männer auch einfach niederreiten können, aber weder Henning noch Isenhart war die Gegend vertraut, von der Kenntnis des kürzesten Weges nach Hambach ganz zu schweigen. Geografische Karten auf widerstandsfähigem Kalbslederpergament waren zwar verfügbar, aber kaum erschwinglich und zudem wenig verlässlich. Neben einigen Wegpunkten wie Burgen oder Siedlungen enthielten sie nur grobe Vorstellungen der Fernhandelswege und der Flussläufe. Daher mochten die Männer vor ihnen Räuber und auch Mörder sein, entscheidend war nur, dass sie sich in der Gegend bestens auskannten.
Und
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