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Isenhart

Isenhart

Titel: Isenhart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holger Karsten Schmidt
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geboten hätte. Schwere Säulen stützten in gleichmäßigen Abständen die Decke. An den Wänden brannten Öllampen und schwängerten die modrige Luft mit einem Gemisch aus Schimmel und verbranntem Fett.
    Otto  II . von Henneberg war todmüde. Er saß auf einem ausladenden Stuhl und hatte die Insignien seines Amtes angelegt, den breitkrempigen grünen Bischofshut, den Hirtenstab, den Bischofsring und das pectorale  – das Brustkreuz, dessen Kette so lang war, dass es schwer auf seinem Bauch lag.
    Ihm zur Seite stand im Gewand eines Mönches der Novizenmeister, dessen Gestalt und vor allem dessen Augen Isenhart an Giselbert erinnerten. Erfüllt von Traurigkeit.
    Walther, Isenhart und Henning standen ihnen gegenüber, enge Fußfesseln rieben sich in ihre Haut. Zu beiden Seiten standen leicht gepanzerte Ritter, die dem Bischof von Spira auf seinen Reisen Begleitschutz leisteten. Zwei von ihnen waren Ritter des Templerordens, wie sich unschwer an dem roten Kreuz auf weißem Grund auf Brust und Rücken erkennen ließ.
    Ihre Kameraden hatte Gérard de Ridefort, Konrads Held aus früheren Tagen, in seinem letzten Husarenstück am 1. Oktober 1189 bei Akkon gegen Saladin reiten lassen, wo der Sultan die Kreuzfahrer abermals schlug und der Großmeister des Templerordens sein Leben verlor.
    Die Ironie, dass sie nun ausgerechnet von Mitgliedern jenes Ordens bewacht wurden, denen Konrad mit der Teilnahme am Kreuzzug beizustehen beabsichtigt hatte, lockte bei Isenhart allerdings kein Lächeln hervor, dazu war die Lage zu ernst. Aus den Augenwinkeln nahm er wahr, dass sowohl Henning als auch Walther ihre Situation ähnlich einschätzten. Hinter ihnen hatten sich Simon Rubinstein und Günther von der Braake eingefunden.
    Otto  II . von Henneberg hatte eine stoische Miene aufgesetzt, seine Gesichtszüge waren über jede Interpretation erhaben, so hatte er es sich bei jedem Gericht zur Gewohnheit gemacht, das er abhielt. Sein unbewegtes Gesicht täuschte jedoch über die Zerrissenheit hinweg, die er empfand.
    Auf dem Rückweg von Helibrunna hatte er mit seinem Tross an einer Weggabelung die falsche Richtung eingeschlagen. Da es recht stürmisch war und der Wind die Wolken vor sich hertrieb, gestattete er seinem Führer, sich an den Sternen zu orientieren. Als sie eine enge Biegung passiert hatten, hielten sie abrupt an, denn es bot sich ihnen ein Bild wie aus einer anderen Welt.
    Ein Mann mit breiten Schwingen stand auf einer Anhöhe, zwei andere hatten sich in einem Abstand von vielleicht 20 Fuß links und rechts vor ihm postiert und hielten stark qualmende Fackeln in ihren Händen.
    Die mit Öl getränkten Lappen riefen helle Rauchsäulen hervor, ganz so, wie Isenhart es beabsichtigt hatte. Der Westwind riss den Rauch beinahe horizontal mit sich und offenbarte allen dreien den Weg, den die Strömung an den Flügeln nahm. Dabei entdeckten sie etwas Erstaunliches, denn die Luft jagte schneller über die Oberseite der Flügel als an der Unterseite. Diesen Effekt vermochte Isenhart zu beeinflussen, indem er den Anstellwinkel der Flügel veränderte. Umso mehr er die Vorderkante der Flügel zum Himmel hob – und damit die Hinterkante im gleichen Maß senkte –, desto schneller fand der Wind den Weg über die Flügel.
    Isenhart assoziierte sofort das Bild des Schiebers am Kanal: An einer Engstelle floss das Wasser um ein Vielfaches schneller. Und das bedeutete, dass sich die Luft und das Wasser, zwei der göttlichen Elemente, in Engstellen nach demselben Prinzip verhielten.
    Möglicherweise war es das, was Walther als den göttlichen Funken bezeichnet hatte und Henning als das Wesen, das in allem ruhte. Wurde er also gerade eines kleinen Teils von Gottes Plan ansichtig? Offenbarte sich in dem Bildnis des Windes, dessen Verlauf sie unter Zuhilfenahme von Rauch der Unsichtbarkeit entrissen, die Hand des Schöpfers?
    Isenhart schlug leicht mit den Schwingen, um den Weg des Windes im Zusammenspiel mit dem Weg der Flügel zu beobachten, als er und die anderen sich mit einem Mal von Rittern umgeben fanden, die wie aus dem Nichts aufgetaucht waren.
    Und nun, ohne viel Federlesens abgeführt und nach Spira verfrachtet, standen sie dem Bischof von Spira gegenüber, der von innerer Zerrissenheit erfüllt war.
    Er hielt ihnen zwar zugute, keine kultische oder gar teuflische Zeremonie abgehalten zu haben. Ein weniger wohlgesinnter Mann in seiner Position hätte auch das ohne Probleme als die einzig mögliche Erklärung für das, was die

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