Isenhart
für Isenhart halten willst, dann weiß der Abt, wo er dich finden kann. Bischof von Henneberg unterhält regelmäßigen Kontakt mit ihm.«
»Dann soll er kommen«, erwiderte Konrad, »es wird mir eine Freude sein, ihm den Kopf vom Hals zu schlagen.«
»Mir auch«, antwortet Sophia, und diese Einlassung irritierte ihren Bruder, »aber nicht jetzt. Du trägst Verantwortung für Heiligster. Wenn du dich jetzt offenbarst, werden wir alle fliehen müssen. Oder uns dem Kampf stellen.«
Daran hatte Konrad nicht gedacht.
Otto II . von Henneberg missfiel, wie Isenhart seinen Blick erwiderte, nämlich ohne rechte Demut.
»Was hast du dir dabei gedacht?«
»Ich wollte herausfinden, wie es Vögeln möglich ist, sich durch die Luft zu bewegen.«
»Aber wozu?«
»Um es zu wissen.«
Von Hennebergs linkes Lid zuckte nervös. »Und dann?«
»Ich verstehe nicht.«
»Bist du so ein Simpel? Was hast du damit bezweckt? «
»Ich wollte wissen, wie das Fliegen funktioniert.«
Der Bischof spürte das Wallen seines Blutes. Hatte er es mit einem Neunmalklugen zu tun, der glaubte, ihn vorführen zu können? Hier, vor aller Augen?
Er erhob sich, was Isenhart veranlasste, einen Schritt zurückzutreten. Die Augen des Bischofs musterten ihn, denn Isenhart bot ihm keinen noch so kleinen Anhaltspunkt, wie er einzuordnen wäre. Kurz: So ein Mensch war dem Bischof bisher noch nicht begegnet. Von Henneberg fragte sich, ob er es mit einem außergewöhnlichen Dummkopf zu tun hatte oder einem Pfiffikus – was erfahrungsgemäß die größere Gefahr barg.
»Du hast beeidet, die Wahrheit zu sagen«, erinnerte von Henneberg ihn.
»Ich sage die Wahrheit«, antwortete Isenhart.
»Wozu also willst du Wissen erwerben, wenn es nicht angewendet werden soll? Worin besteht der Nutzen?«
»Ich weiß, wie man einen Mann mit einem Schnitt durch die Kehle tötet – deshalb muss ich es aber nicht anwenden. Denn das machte mich zu einem Mörder, der ich nicht sein will.«
Kurz senkte sich die Stille über sie. Otto II . von Henneberg war sich nun sicher, es mit der gefährlichen Variante zu tun zu haben.
»Ich gebe dir eine letzte Möglichkeit, dich zu erklären.«
Isenhart atmete einmal tief durch. Dem Bischof war es bitterernst, er erwartete eine nachvollziehbare Begründung für das merkwürdige Verhalten, dessen er in Heiligster Zeuge geworden war.
»Ich bin ein Werkzeug Gottes«, sagte Isenhart.
»Nun, das sind wir alle.«
»Der Schöpfer hat mir einen Geist gegeben und mich damit über die Tiere erhoben«, fuhr Isenhart unbeirrt fort, »sodass ich die Frage von Euer Exzellenz an Exzellenz selbst richten kann: Wozu hat der Allmächtige mich mit Verstand ausgestattet, wenn ich ihn nicht nutze? Ist es nicht ein Frevel, dieses Gottesgeschenk brachliegen zu lassen?«
Erneut walzte Schweigen durch den Raum. Walther meinte eine Vibration in der Luft zu spüren, die sich aus der allgemeinen Anspannung speiste, während Henning für Isenhart, der seinen Prinzipien treu blieb, Stolz empfand.
»Das ist es in der Tat«, erwiderte der Bischof, und Isenhart spürte, dass er nun auf der Hut sein musste, »in der Tat. Nutze deinen Geist in seinem Sinne, so ist es bestimmt. Das ist der Wille des Allmächtigen. Nutze deinen Verstand zur Ehre und zum Wohlgefallen deines Schöpfers.«
»Das habe ich getan«, bestätigte Isenhart.
»Nein, hast du nicht. Du wolltest den Flug der Vögel nachahmen. Ohne Zweck, mit Ausnahme des Zweckes deiner eigenen Bereicherung. Und das ist nicht gottgefällig.«
Er schritt dicht an Isenhart heran, ihre Gesichter waren keine zwei Handbreit voneinander entfernt. »Du bist ohne Flügel geboren«, fuhr Otto fort, »du sollst auf Erden wandeln, nicht in der Luft. Der Himmel ist den Vögeln vorbehalten. Das ist die göttliche Ordnung – und du hast gegen sie aufbegehrt. Du hast Gott gelästert.«
Isenhart schluckte unwillkürlich. Je mehr der Bischof durch seinen Widerspruch in Rage geriet, desto massiver gestalteten sich die Verstöße, die er angeblich begangen hatte.
»Ich wollte nur etwas über die göttliche Ordnung erfahren«, entgegnete Isenhart, »ich wollte herausfinden, warum dem Menschen der Himmel verweigert ist.«
»Wer etwas über die göttliche Ordnung erfahren will, kann sich des Rates der Kirche und des Heiligen Stuhls gewiss sein. Selbst ein Laienprediger hätte dir die Antwort geben können. Sie lautet: Gottes Wege sind unergründlich. Das sind sie auch für dich, weil du Gott in seiner Weisheit
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