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Isenhart

Isenhart

Titel: Isenhart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holger Karsten Schmidt
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grenzten die Anzahl der möglichen Täter auf eine kleine Gruppe ein. Denn die Schlussfolgerung seiner Überlegungen lautete: Der Mörder musste Walther von Ascisberg gekannt haben.
    In Gedanken begab sich Isenhart in der Gestalt des Täters nach Spira, er beobachtete Jobst, den Mönch, denn er nahm an, dass der Mörder niemals im Affekt zuschlug, dagegen sprach die Intelligenz, die er bei seinen bisherigen Taten an den Tag gelegt hatte. Affekt bedeutete Risiko. Und ein Risiko einzugehen, obwohl es vermeidbar war, blieb den schlichteren Gemütern vorbehalten.
    Er verfolgte Jobst den Tag über, vielleicht richtete er sogar untereinem Vorwand das Wort an ihn, hörte ihn sprechen, vergewisserte sich des Tones seiner Stimme. Ganz bestimmt warf er einen Blick in die Augen des Mönchs, die er ihm später entnehmen würde.
    Isenhart spürte die Allmacht, die der Mörder empfunden haben musste. Dem Opfer gegenüberzustehen, es nach dem Weg oder einer anderen Belanglosigkeit zu fragen und – im Gegensatz zu ihm – zu wissen, dass es die wertvollsten Stunden seines Lebens vor sich hatte, nämlich seine letzten.
    Nachts, auf dem Rückweg nach Tutenhoven, erschlug er ihn. Nein, er tötete ihn mit einem einzigen Stich in den Hinterkopf. Isenhart sah in seinen Gedanken, wie der schlaffe, junge Körper des Mönchs tot aufs Pflaster aufschlug. Wie er, der Mörder, sich auf ihn schwang, als werfe er sich auf ein junges Pferd, das durchzugehen drohte, und ihm sogleich die scharfe Klinge an den Lidern ansetzte. Schnell musste es nun gehen, denn die Seele befand sich auf dem Sprung. Sie galt es rechtzeitig abzupassen. Mit zügiger Sorgfalt durchtrennte der Seelensammler das Gewebe und hob die Augäpfel aus ihren Höhlen, mit einem letzten Schnitt durch die Faser des Sehnervs trennte er sie vom restlichen Körper und bahnte Jobsts unbefleckter Seele den Weg.
    Ein Gefühl des Glücks und eine Art göttlichen Schutzes dürfte er daraufhin empfunden haben, denn Gott hätte ihm jederzeit Einhalt gebieten und ihn in ewige Verdammnis stürzen können. Doch beides blieb aus – war dieses nicht ein Zeichen dafür, dass die Taten des Seelensammlers gottgefällig waren? Riefen sie, da ungesühnt und unverhindert, gar die Verzückung des Schöpfers hervor? Erntete der Mörder Gottes Wohlgefallen?
    Isenhart wusste diese Frage nicht zu beantworten. Aber da der Schöpfer die Taten nicht verhindert und auch nicht gesühnt hatte, musste der Täter sich in seinem Handeln bestätigt fühlen. Bestätigt und womöglich angestachelt zu neuen Taten.
    Gott hat den Fuchs geschaffen und den Hasen, hatte Walther von Ascisberg einmal gesagt. Und uns nicht wissen lassen, für wen von beiden sein Herz schlägt.
    Walther, der dann in Spira aufgetaucht sein musste. Dem der Mord an Jobst keine Ruhe gelassen, der die Zeichen begriffen hatte. Reinheit und Mönch, Seele und Augen.
    Aus der Perspektive des Täters, die Isenhart noch immer einzunehmen sich bemühte, während er sich Heiligster näherte, war dieser Mord eine bewusste Täuschung. Warum sollte er nach all den Jahren, in denen seine Opfer einander geglichen hatten, die Wahl der Unglückseligen, die seine Neugier mit ihrem Leben bezahlten, geändert haben?
    Die Entnahme der Augäpfel statt des Herzens war dem neuesten Stand der Forschung geschuldet. Dass die Wahl aber statt auf eine weitere Jungfrau auf einen Mönch gefallen war, konnte kein Zufall sein.
    Ein Täter, der sich unverfolgt und unentdeckt wähnt, schloss Isenhart, hat keinerlei Veranlassung, sich auf einen neuen Opfertyp einzustellen. Es hätte für Annas Mörder also überhaupt keine Notwendigkeit bestanden, sich von Jungfrauen auf Mönche zu verlegen – außer er wusste, dass man ihm auf den Fersen war.
    Mit dem Freitod Michael von Bremens hatte diese über Jahre andauernde Mordserie endlich ein Ende gefunden. Der Mörder war gefasst, seine Taten waren gesühnt, zukünftige Opfer geschützt.
    Scheinbar.
    Denn in Jobst hatte er eine neue Seelenquelle gefunden, die niemand mit den Morden an den Jungfrauen in Verbindung bringen würde. Keiner seiner Jäger könnte bei der Nachricht des ermordeten Mönches Argwohn im Herzen tragen. Niemand wäre in der Lage, eine Verbindung zwischen der Tötungsserie und Jobst herzustellen.
    Nur ein höchst wacher Geist. Nur einer, der über das Abstraktionsvermögen verfügte, Jungfräulichkeit und Enthaltsamkeit in diesem Sinnzusammenhang zur Deckung zu bringen, und der um den neuen Sitz der Seele

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