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Isenhart

Isenhart

Titel: Isenhart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holger Karsten Schmidt
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Großvater das Leben geschenkt hatte.
    Die Bauern der umliegenden Gehöfte lieferten gerade den Zehnten ihrer Erzeugnisse an die Ministerialfamilie, die die Staufer mit der Verwaltung des Schlosses betraut hatten, als Isenhart eintraf. Daher gelangte er unbehelligt in den Burghof, der jenen des Hauses Laurin in seiner Größe um das Doppelte übertraf.
    Jung und Alt waren versammelt, häufig waren es die Frauen, meist Töchter im gebärfähigen Alter, also zwölf oder dreizehn, die den Zehnten abtraten. Zum einen nutzten ihre Väter und Brüderdie Zeit für die Arbeit, statt sich im Hof die Beine in den Bauch zu stehen, zum anderen täuschte ein kokettes Lächeln oder ein wohlgeübter Augenaufschlag womöglich über eine dürftige Abgabe hinweg.
    Milch und Käse, Bier und Wein, manchmal gar ein ganzes Huhn, oftmals aber auch Becher und Schalen aus Ton, geflochtene Körbe, gesponnene Decken und allerlei mehr, was das Gesinde mit seinen Händen fertigte, wurde dem Herrn im Tausch gegen dessen Schutz und dessen Land, das sie bewirtschaften durften, abgetreten.
    Das Warten nutzten die Leute für einen Plausch. Wer war schwanger und von wem, wen hatte der Schnitter geholt, und wer hatte spätnachts wieder an die falsche Tür geklopft? Man ließ sich aus über das Wetter, die Kleider der Edlen in der Stadt und die Last des Zehnten, Letzteres natürlich im Flüsterton.
    Isenhart band sein Pferd an und betrachtete einige Augenblicke lang das Treiben, das keineswegs bunt war, denn die meisten Bauern leisteten sich kein gefärbtes Leinen.
    Aus den Augenwinkeln nahm er eine Gestalt wahr, die sich auf dem ummauerten Brunnen abstützte und mithilfe eines Holzeimers Wasser schöpfte. Er erkannte ihn, obwohl er Isenhart den Rücken zugewandt hatte.
    Auch er trug seine schwarzen Haare stoppelkurz, eine Gemeinsamkeit, die Isenhart kurz verwunderte. Das Gesicht des Freundes wirkte sehr gereift, er war in den vergangenen anderthalb Jahren viel älter geworden als nur achtzehn Monate, so schien es. Seine Miene war bedrückt, und er zog das linke Bein ein wenig nach. Das Schuldgefühl, Henning in Tutenhoven zurückgelassen zu haben, zog in Form eines sanften Glühens über Isenharts Wangen, verflüchtigte sich aber umgehend, als Henning von der Braake so abrupt abstoppte, als sei er gegen eine unsichtbare Mauer gelaufen, dann mit heller Freude auf ihn zuging und ihn so innig herzte, dass es eine Freude war.
    »Endlich«, stieß Henning etwas gepresst hervor, »du lebst!«
    Er packte Isenhart an den Schultern und musterte ihn. Diese Vertrautheit, die Isenhart dabei verspürte, erinnerte ihn an das Quäntchen, das Seelenverwandte Freunden voraushatten. Er hatte es anderthalb Jahre nicht mehr empfunden, und mit Walthers Todwar die Zahl derer, die diese wundervolle Regung in ihm wachzurufen wussten, auf eine sehr überschaubare Schar geschrumpft, im Grunde gab es neben Henning niemanden sonst.
    »Du hast es auch überlebt«, stellte Isenhart fest.
    Henning nickte, sein Lächeln verschwand plötzlich und wich der Sorge: »Und Konrad?«
    »Er ist unversehrt«, beeilte er sich zu antworten.
    Henning von der Braake ließ ihn jetzt los, aber seine Augen waren unverwandt auf Isenhart gerichtet, ganz so, als hätte er dessen Anblick zu lange vermisst. »Ich bedaure aufrichtig die Momente, die ich nicht mit dir teilen konnte«, sagte er.
    Dieses Bekenntnis berührte Isenhart. Umso mehr, da ihm erst jetzt bewusst wurde, dass er ebenso empfand.
    »Du hast sicher von Walther gehört«, wechselte der Sohn des Medicus das Thema.
    »Ja. Und das ist auch ein Grund, warum ich mich auf den Weg hierher gemacht habe«, unterrichtete Isenhart ihn, »denn ich weiß jetzt, dass Michael von Bremen nicht der Mann war, den wir gesucht haben.«
    Henning von der Braake sah Isenhart verblüfft an.
    »Henning!«
    Beide wandten sich zur Seite. Dort, am Einlass eines Wehrturmes, stand ein kräftiger Kerl, größer als Konrad. Er winkte Henning eilig zu sich.
    »Das ist Simon von Hainfeld«, ließ Henning Isenhart wissen, »komm mit, mein Vater liegt im Sterben.«
    Isenhart erschrak. Er war gekommen, um Henning vor seinem eigenen Vater zu warnen, was nun offenbar nicht mehr nötig war.
    Sie eilten zum Turm, Simon von Hainfeld musterte Isenhart aufmerksam.
    »Isenhart von Laurin«, sagte Henning, um sie einander vorzustellen, »Simon von Hainfeld.«
    Der Hüne nickte und lächelte ein wenig: »Henning hat mir schon viel von Euch erzählt.« Von Hainfeld strahlte etwas

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