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Isenhart

Isenhart

Titel: Isenhart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holger Karsten Schmidt
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besten Gedanken. Diejenigen, die zeitlos sind, überdauern, sie sind tatsächlich unsterblich. Und die, die nichts taugen, gehen wieder unter.«
    Diese Idee erschien Henning von der Braake nur allzu einleuchtend. Der klügere Gedanke hatte sich ein ums andere Mal an der Wirklichkeit zu messen, hatte stets unter Beweis zu stellen, dass er von raffinierter Herkunft war. Tat er beides nicht, ging er sang- und klanglos unter. Tat er es, überlebte er. Er überlebte in den Menschen, die ihn nicht verwarfen. Starben sie, rettete der Gedanke sich mithilfe der Seele. Auf diese Weise war es ihm gegeben, der menschlichen Sterblichkeit ein Schnippchen zu schlagen.
    »Du denkst, der Mensch und seine Seele sind so konzipiert, wie sie sind, weil wir existieren, um den besten und überragendsten Gedanken eine Heimstatt zu sein? Damit sie in uns hausen und fortdauern können, auch über Generationen hinweg?«
    Isenhart nickte. Genau dies hatte er sich vorgestellt. Eine Welt, in der die Gedanken mit ihrer Hilfe Überlebensstrategien entwickelten, die sie nicht weiter an die Sterblichkeit des menschlichen Körpers band. Auf diese Weise dauerte nur der lohnende Gedanke fort. Und kristallisierte sich das Wissen als das heraus, worum sich alles drehte. Der kluge Gedanke pflanzte sich in den fruchtbaren Köpfen fort, verzweigte sich in Abwandlungen seiner selbst, die wiederum ihre Nützlichkeit – das Kriterium ihrer Existenz – im Alltag unter Beweis zu stellen hatten, und mithilfe der Seelen sicherten sie sich vor ihrem Verlust. Auf diese Weise war jeder Gedanke einem ständigen Wandel unterworfen, gleich einem rohen Edelstein, der mit jedem Schliff an Kontur und Wert gewann, der sich mit jeder Korrektur seiner Gestalt eine Spur mehr verewigte.
    Henning musterte Isenhart, und er versuchte gar nicht erst, seine Bewunderung zu unterdrücken. »Das ist eine fantastische Idee«, bekannte er, »und in diesem Sinne wäre die Seele kein Indiz für das Jenseits.«
    »Ganz richtig. Denn für das Überleben des Gedankens ist es völlig unerheblich, ob auf uns das Paradies oder die Hölle wartet oder keines von beidem. Ich muss aber bekennen«, fuhr Isenhart fort, »dass mir bei diesem Gedanken die Zusammenkunft einiger Gelehrter auf die Sprünge geholfen hat. Sie treffen sich in Toledo, man nennt es den ›Basar des Wissens‹. Und die Gespräche dort haben mir …«
    »Du kennst den Basar des Wissens?«, platzte es aus Henning heraus. Er packte Isenhart fest an den Oberarmen, als hinge von dessen Antwort Wohl und Wehe der Welt ab: »Du warst dort, als du dich für Walther auf den Weg nach Toledo gemacht hast?«
    Isenhart nickte. Er war erstaunt. »Woher weißt du davon?«
    »Mein Vater hat mir davon erzählt.«
    »Er war in der Puente?«
    Henning schluckte, er entließ Isenharts Oberarme aus seinem festen Griff. »Ja, er hat oft von diesem Ort gesprochen. Es war ihm wie ein wahr gewordenes Wunder, ja, so hat er diesen Basar bezeichnet. Als ein Wunder. Stell dir ein dunkles Verlies vor, hat mein Vater immer gesagt, ein Verlies, so dunkel, dass du nicht einmal deine Füße sehen kannst, nicht einmal die Hand vor Augen. Und dann, ganz weit hinten, sehr klein und durch eine Brise stets kurz vor dem Verlöschen, erblickst du einen kleinen Schimmer. Ein winziges Licht. Das«, Hennings Lächeln wurde traurig, als er sich dessen entsann, »sei der Basar des Wissens.«
    Günther von der Braake war also auch dort gewesen. Die Puente war für Isenhart untrennbar mit dem Namen seines Vaters verbunden, mit Sydal von Friedberg. Hatten sie sich dort getroffen, kannten sie einander womöglich?
    Ja, es gab eine Verbindung zwischen diesen beiden Männern, wie Isenhart plötzlich begriff. Die Apparatur zum Messen des Gewichts der Seele, er hatte sie schon einmal gesehen. Als Zeichnung.
    Jene Zeichnung seines Vaters, über die er sich in den Wochen vor der Alpenüberquerung den Kopf zerbrochen hatte. Ein Rechteck mit vier senkrechten Linien nach oben – die Aufhängung. Undmit einer senkrechten Linie nach unten – der Faden, der ins Wasser hinabreichte. Die Zeichnung, die auch Walther von Ascisberg ratlos zurückgelassen hatte. Selbst ihn.
    Wie hätte er wohl reagiert, wenn ihm zu Bewusstsein gekommen wäre, es mit einem Versuchsaufbau zu tun zu haben, mit dessen Hilfe Sydal von Friedberg die Schädeldecke des Allmächtigen aufbrechen wollte, um einen Blick auf das göttliche Räderwerk des Weltenplans zu erhaschen? War es ungeheure Anmaßung, Blasphemie

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