Isenhart
machte wie nie zuvor.
Er war der Erste, der die Linie der Feinde durchbrach. Anfliegende Pfeile verdunkelten kurz den Himmel, bevor sie auf die Kreuzritter niedergingen.
Der Geruch von Eisen erfüllte die Luft, als ein Berittener mit einer Waffe auf ihn eindrosch, die Konrad noch nie zuvor gesehen hatte. Eine mit Eisenspitzen bedeckte Kugel, die über eine Kette mit einem Stock verbunden war.
Die Kugel zerbeulte seinen Schild mit jedem Treffer. Er schlug zurück, und als das keinen Vorteil brachte, erinnerte er sich an die Worte seines Vaters.
Ein kühler Kopf ist das A und O. Überlass dich niemals dem Zorn.
Dolph griff von der anderen Seite an, der Gegner wehrte sich und öffnete so seine Flanke. Konrad trieb sein Schwert in die Seite des Mannes, der aufschrie und abgeworfen wurde. Er wälzte sich im Staub und brüllte vor Schmerzen.
Das war der erste Mann, den Konrad tödlich verletzte.
Er hatte sich das anders vorgestellt. Sauberer. Ehrenhafter. Und leiser.
Nicht in diesem Staub, nicht begleitet von den Schreien, die schon nicht mehr menschlich waren. So hoch und waidwund, dass er wünschte, ihm würden auf der Stelle die Trommelfelle platzen, damit er ihnen entging.
Sein Hieb hatte den Gegner am Bauch verletzt, hatte die Rüstung gesprengt und ihn aufgeschlitzt. Währenddessen riegelten die Speerträger hinter ihnen die Lücke in der Mauer ab, sie hatten die erste Angriffswelle zum Stillstand gebracht.
Dolph und Konrad waren eingeschlossen.
Ein Durchbruch zurück zu den eigenen Reihen wäre glatter Selbstmord gewesen, daher gab Konrad von Laurin seinem Pferd die Sporen und jagte in die Stadt hinein, Dolph war ihm dicht auf den Fersen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis die zweite Angriffswelle des Kreuzfahrerheeres die entscheidende Bresche in die Reihe der Verteidiger schlagen würde. Ein, zwei Stunden vielleicht.
Sie warteten zwei endlose Tage.
Dolph und Konrad hatten sich in den Ruinen eines ausgebrannten Gebäudes zurückgezogen. Für ihre Pferde bot die Ruine kein Versteck, schweren Herzens nahmen sie ihnen die Sättel ab und verjagten sie.
»Wir könnten ausbrechen«, sagte Dolph. Er war versucht, seiner Stimme einen entschlossenen Klang zu verleihen, aber die Angst ließ sie vibrieren.
»Da ist nichts, wohin wir ausbrechen könnten.«
Stumm fügte Dolph von Grundauf sich in sein gottgewolltes Schicksal.
Die zweite Welle kam nicht. Nicht am Nachmittag, nicht in der Nacht und auch nicht am darauffolgenden Tag. Hatte man sie vergessen? Oder aufgegeben?
»Die halten uns für tot«, sagte Dolph niedergeschlagen, »bestimmt sind sie schon weitergezogen.«
Konrad musste schlucken, und das fiel ihm schwer. Seit über 24 Stunden hatten sie nichts getrunken, die mörderische Hitze zehrte an ihren Kräften. Und das, obwohl sie darauf achteten, sich im Schatten aufzuhalten.
Um den nötigsten Hunger zu stillen, erschlugen sie Ratten, und da ein Feuer ihre Position verraten hätte, aßen sie sie roh.
Einmal kehrten zwei Speerträger im Stockwerk unter ihnen ein; Konrad und Dolph hielten die Luft an. Die beiden ließen ihren homosexuellen Fantasien freien Lauf. Sie waren sehr ausdauernd, Konrad liefen die Ratten über das Gesicht, Dolph und er wagten sich nicht zu rühren.
Sie erstarrten ganz einfach für zwei Stunden, sandten stumm ihre Stoßgebete gen Himmel.
Dann verzogen sich die beiden Speerträger wieder.
Der brennende Durst trieb sie am Mittag des zweiten Tages zum Äußersten. Sie tranken ihren eigenen Urin, um überhaupt Flüssigkeit zu sich zu nehmen. Beim ersten Mal erbrachen sie sich beide – und das möglichst leise –, dann siegte ihr Überlebenswille.
Und es wurde Abend.
Schließlich stand Konrad auf, Dolphs fragender Blick begegnete ihm. »Ich geh jetzt raus«, sagte er.
Dolphs Entsetzen war fast physisch greifbar. »Die erschlagen dich, Konrad.«
»Ja, gut. Mag sein«, antwortete Konrad von Laurin mit einer Müdigkeit in der Stimme, die unterstrich, dass er nicht aus Panik handelte. Er hatte es ganz einfach satt. Wenn sein Ableben schon vom Schicksal vorherbestimmt war, dann wollte er das Ewige Leben wenigstens aufrecht betreten.
Er empfand Wehmut bei dem Gedanken, Burg Laurin nicht wiederzusehen und alle, die er damit verband, Eltern, Geschwister und Isenhart. Aber vielleicht schützte ihn der kleine Holzspan vom Kreuz des Erlösers, den Hieronymus – ihn hatte er als Einzigen eingeweiht – ihm mit auf den Weg gegeben hatte.
Dolph stöhnte auf. Konrad warf ihm
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