Isenhart
gerichtet, der als Einziger im Raum saß, während seine Untergebenen alles aus dem Zimmer forttrugen. Er thronte hinter einem Tisch und kritzelte Zahlen aufein Pergament. Sein Haar war strähnig und kurz und schwarz. Seine Nase dominierte das Gesicht, das dem eines Habichts glich.
Er hieß Samuel, erfuhren sie, Offizier des oströmischen Heeres, Logothet des Kurierdienstes, des dromos, der sich wie ein mal weit- und dann wieder engmaschiges Netz über das gesamte Reich erstreckte.
»Wir benötigen Unterkunft«, ließ Bero ihn wissen.
»Gebt mir, wie lange eine Heuschrecke braucht, um vier Pferde abzuschreiten«, bat er sich aus, »dann gehört Euch dieses Quartier.«
Konrad hatte keinen Schimmer, was eine Heuschrecke sein sollte. Er blickte zu Bero von Hept, der nicht so aussah, als würde seine überlegene Lebenserfahrung ihm in die Karten spielen. Ganz offensichtlich aber hatten sie sich auf keine längere Wartezeit einzustellen.
»Die Brunnen in der Gegend sind vergiftet«, stellte Konrad fest.
Samuel blickte auf und musterte ihn kurz. Lächelte dann. Und tauschte ein paar Worte in einer dem jungen Laurin unbekannten Sprache mit seinem Adjutanten.
»Das ist Arabisch«, flüsterte Bero.
»Nein«, widersprach Samuel, der offensichtlich über ein tadelloses Gehör verfügte und sich nun von seinem Platz am Tisch erhob, »das ist Griechisch, unsere Sprache. Die Worte unserer Väter.«
Er trat vor die beiden. Und wie Konrad feststellte, war seine Miene dabei frei von Angst.
»Ihr sprecht die Alte Sprache?«, erkundigte Bero von Hept sich erstaunt.
Samuel nickte: »Wir sind Romanoi. Oströmer. Und Griechisch ist unsere Sprache. Und«, fügte er hinzu, »es ist kein Wunder, dass die Bauern die Brunnen vergiften – Euer Marsch zerstört ihr Lebenswerk.«
»So viele Brunnen? Gleichzeitig?«
»Ihr seid ein kluger Mann«, ließ Samuel Hept wissen, »aber bedenkt: Wenn es das Oströmische Reich nicht gäbe, grenzte das Abend- an das Morgenland. Jede Seite könnte über Nacht die andere überfallen und in ihr Gebiet einmarschieren. Jetzt aber müssen sie hier durch. Und ganz gleich, was in Outremer geschieht, ob Ihr siegt oder geschlagen werdet, wir werden weiterhin mit Saladinoder seinem Nachfolger Haus an Haus wohnen und Tür an Tür. Euch das freie Geleit zu gewähren, wird uns schwächen. Dazu sind wir bereit. Aber zu mehr nicht.«
Ohne eine Antwort abzuwarten, verließ Samuel das Quartier. Und er verließ es als letzter Mann, wie Bero und Konrad leichterdings feststellten, da ihre Augen sich nun an das Halbdunkel gewöhnt hatten.
»Geschützt gegen Wind und Regen«, stellte Bero mit einem Rundblick fest. Konrad von Laurin pflichtete ihm mit einem Nicken bei. Hatten Regen und Wind ihn früher gestört, hatte er sich einfach ins Innere der Burg begeben. Von einer Reihe dieser scheinbaren Selbstverständlichkeiten hatte Konrad seit seinem Aufbruch Abschied nehmen müssen, weshalb er ein Dach über dem Kopf wieder zu schätzen gelernt hatte.
Noch am Nachmittag kundschafteten sie das Gebiet aus und entdeckten einen sicheren Zugang zu einem Flusslauf, der sie und das in zwei Tagen eintreffende Hauptheer von einer Frischwasserversorgung durch Brunnen entband.
Als Barbarossa eintraf, waren seine Kuriere immer noch nicht zurückgekehrt. Aber Konrad wusste, wie eine Heuschrecke aussieht.
Zu diesem Zeitpunkt erlangte Patrick von Cannstatt traurige Berühmtheit. Er war auf christlicher Seite der erste Ritter, der fiel. Sie fanden ihn im Schatten eines Olivenhains. Er lag dort, als hätte der Schlaf ihn jäh übermannt. Auf dem Rücken und alle viere von sich gestreckt.
An den Hain grenzte ein Hühnerstall, dessen Tür sich im warmen Wind wiegte und knarrte. Patrick von Cannstatt hatte sie aufgebrochen, um an das Federvieh heranzukommen. Und jemand hatte ihm den Schädel eingeschlagen, um das zu verhindern.
Als sie seine sterbliche Hülle beisetzten, lagen nur noch sieben Tagesreisen zwischen Sigimund von Laurin und seinem Sohn.
Abgesehen von der Sorge um den Burgherrn und seinen Stammhalter war der Beginn des dritten Kreuzzugs das Beste, was Anna und Isenhart passieren konnte.
Innerhalb der Burgmauern beachteten sie sich kaum, und wenn ihre Blicke sich doch einmal trafen, legten sie demonstratives Desinteresse an den Tag. Ein Lächeln, eine flüchtige Berührung im Vorbeigehen, mehr wagten sie nicht.
»Anna ist hübsch«, meinte Henrick einmal, während sie in den Weinbergen standen, die dem Haus Laurin
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