Isenhart
wie der Pfeil von der Sehne, ungeahnt schnell, ungeahnt geschmeidig, ein einziger Satz. Die Wucht, mit der er auf den Juden prallte, ließ sie beide zu Boden stürzen.
Isenhart spürte nicht, wie er sich beim Aufprall die Haut aufschürfte. Er hieb dem Mann die Faust in atemloser Folge ins Gesicht, zwei-, dreimal, dann riss ihn eine unsichtbare Kraft in die Höhe und setzte ihn im Burghof ab.
Sigimund von Laurin hatte ihn mit nur einem Arm emporgehoben. Isenharts Atem ging stoßweise, er bleckte die Zähne wie ein Tier. Sein Gesicht schien kaum noch menschlich. Konrad und von Ascisberg sahen ihn ebenso konsterniert an wie der fahrende Händler selbst. Insbesondere Walther von Ascisberg musterte seinen Schüler mit jenem Unbehagen, mit dem man einen Menschen bedenkt, dessen Charakter man zu kennen glaubt – und eines Besseren belehrt wird.
Alexander von Westheim rappelte sich auf, und Isenhart spannte sich unwillkürlich für einen zweiten Angriff.
»Was ist in dich gefahren?«, herrschte Sigimund von Laurin Isenhart an, während er ihn immer noch am Kragen festhielt. Der Fürst sah ihm in die Augen, ein durchdringender Blick, der Isenhart auf den Bernstein zeigen ließ.
Er griff nach ihm und hielt ihn seinem Herrn vor die Augen. »Seht Ihr die Einfassung? Seht Ihr sie?«
»Ich sehe sie«, erwiderte Sigimund mit einer bemerkenswerten Ruhe.
»Ich habe sie geschmiedet, ich habe sie für den Bernstein geschmiedet, den ich Eurer Tochter geschenkt habe.«
»Ich habe ihn nie gesehen.«
»Anna trug ihn unter ihrem Kleid.«
Schweigen walzte über den Burghof. Konrad kniff ein wenig die Augen zusammen, von Ascisberg dagegen senkte den Blick. Isenhart begriff, dass er sich besser auf die Zunge gebissen hätte.
Sigimund räusperte sich. Isenhart wagte nicht, dem Mann in die Augen zu schauen.
»Ein Geschenk von dir, das meine Tochter unter ihrem Kleid trug«, hielt Sigimund fest. Ein rauer Ton hatte sich in seine Stimme geschlichen.
Von Westheim war inzwischen von Rupert und dessen Sohn wieder auf die Beine gestellt worden. Als Isenhart den Bernstein und die Einfassung erwähnte, war seine Haltung starr geworden.
»Was sagst du dazu, Jude?«
Die Pupillen des Händlers wanderten hin und her, von einem zum anderen, dann zum Tor, als wolle er einen möglichen Fluchtweg bemessen, und schließlich, in Einklang mit der Erkenntnis, dass eine Flucht nicht infrage kam und sein Wohl und Wehe in den Händen des Fürsten von Laurin lag, zu Sigimund. »Ich habe ihn bekommen«, brachte er quälend langsam hervor, »bekommen im Tausch gegen Heilkräuter.«
»Von wem?«, fragte Konrad, der seine Ungeduld mit einer unwirschen Geste unterstrich.
»Von einem Mann.«
»Sein Name.«
Alexander von Westheim wirkte wie ein gehetztes und nun in die Enge getriebenes Tier. Sigimunds Ohrfeige traf ihn an der Nase, Blut schoss ihm über den Mund auf die Brust.
Die Blicke der beiden kreuzten sich. Und obwohl die Sonne nun in den Burghof schien, sah Isenhart keinerlei Glanz in den Augen von Sigimund von Laurin. Sie wirkten leblos und kalt.
»Ihr würdet mir keinen Glauben schenken«, brachte der Händler hervor, seine Stimme brach fast.
Sigimund nickte. »Isenhart, bring einen Schürhaken zum Glühen«, sagte er mit der ruhigen Bestimmtheit eines Mannes, der um jeden Preis eine Antwort erzwingen will und dazu auch in der Lage ist.
Isenhart hatte keine zwei Schritte getan, als es aus von Westheim unter Tränen herausbrach. »Ich habe ihn von Wilbrand von Mulenbrunnen, Herr.«
»Für diese ungeheuerliche Anmaßung soll er brennen«, verlangte Konrad, sein Unterkiefer bebte vor Empörung.
Isenhart wusste nicht mehr von Wilbrand, als dass dieser den Posten des Abtes des Klosters von Mulenbrunnen bekleidete. EinenDiener Gottes – noch dazu in einer solch herausragenden Stellung – zu bezichtigen, war absurd.
Sigimund von Laurin verschwendete kein Wort, sondern zog den Dolch und trat an den Mann heran, der sich auf die Knie sinken ließ und zu wimmern begann, Tränen flossen ihm über die wettergegerbte Haut und hinterließen helle Linien in dem blutverkrusteten Gesicht.
»Der Herr ist mein Zeuge«, brachte Alexander von Westheim hervor.
Es war ein Anblick des Jammers, dem Isenhart erst viel später den Weg zu seinem Herzen gestatten sollte. Im Moment spürte er nur den Wunsch, von Westheim für seine Tat leiden zu sehen.
Ihm lediglich die Kehle durchzuschneiden, wie es Sigimund von Laurin offenbar beabsichtigte, erschien ihm
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