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Isenhart

Isenhart

Titel: Isenhart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holger Karsten Schmidt
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leider nicht für ein Kettenhemd, mit dem Isenhart sich hätte schützen können, denn das Haus Laurin verfügte lediglich über deren zwei.
    Konrad sah in dieser Reise keinen Sinn. Was sollte eine Befragung von Wilbrand von Mulenbrunnen bringen außer Ärger? Warum hatte sein Vater nicht einfach Giselbert mit der Hinrichtung des Händlers beauftragt? Aber Sigimund hatte ihn zu seinem Schutz an seine Seite befohlen, und Konrad hatte nicht widersprochen.
    Isenhart war dabei, weil er als Einziger Zeugnis über den Bernstein ablegen konnte.
    Das Schweigen zwischen ihnen wurde schließlich so laut, dass Konrad sich nach dem Mann erkundigte, den sein Vater aufsuchen wollte.
    Wilbrand von Mulenbrunnen stammte aus einem Adelsgeschlecht und hatte die Stelle des Abtes von seinem Vater übernommen. Das Kloster stand nicht nur unter dem Schutz des Bischofs in Spira, sondern auch unter kaiserlicher Schirmvogtei. Niemand Geringerer als Friedrich Barbarossa, der in diesem Augenblick inAdrianopel überwinterte, garantierte für die Unversehrtheit der Anlage und der dort lebenden Mönche.
    Aber Wilbrand hatte keine geistliche Laufbahn eingeschlagen – das wäre auch nicht im Sinne seines Vaters gewesen –, sondern kümmerte sich um die Mehrung seiner Ländereien und deren Erträge. Demzufolge hatte er einen gewissen Konrad I . zu seinem Prior ernannt, der an seiner Stelle die Entscheidungen im Kloster traf, die ein Abt zu treffen hatte.
    Isenhart fragte sich, welchen Sinn es für einen Mann in dieser Position haben konnte, auf einem Karren den Weg zur Burg Laurin zu nehmen und dort eine junge Frau zu töten. Alexander von Westheim dagegen hatte Anna nachgestellt, und wenn Henrick sie bei ihren Treffen beobachtet hatte, weshalb sollte das nicht auch dem jüdischen Händler möglich gewesen sein? Das Einzige, was keinen Sinn ergab, war Annas geraubtes Herz.
    Bei von Westheim ebenso wenig wie bei Wilbrand von Mulenbrunnen.
    Mit blauen Lippen und eisigen Gelenken erreichten sie am späten Nachmittag das Kloster. Der gefrorene Feldweg vollführte eine Biegung und gab mit einem Mal den Blick auf die Anlage frei, die gleich einer geistlichen Oase, unberührt von der äußerlichen Welt, in einem abgelegenen Waldstück lag. Neben der Kirche selbst, die weniger imposant wirkte, als Isenhart erwartet hatte, fanden sich auf dem weitläufigen Hof vielerlei Nebengebäude. Außerdem eine Mühle und ein Brunnen. Hölzerne Rinnen, die Isenharts Interesse hervorriefen, führten oberhalb der Häuser an einem Hang entlang.
    Einige Mönche waren mit dem Bau einer Steinmauer beschäftigt, die eines Tages den gesamten Besitz umfassen sollte. Ihre einheitliche Kleidung fiel Isenhart sofort ins Auge. Die Männer trugen allesamt das gleiche, ungebleichte Leinen.
    »Sind das die grauen Mönche, von denen Ihr mir erzählt habt?«, fragte Konrad. Sein Vater nickte. »Es sind Zisterzienser«, erklärte Sigimund von Laurin.
    Sanft führte er die Sporen in die Seite seines Pferdes, das wieder in den Gang wechselte. Konrad und Isenhart folgten ihm.
    Was mochte vor Gott gewesen sein, fragte sich Isenhart, während der Prior, ein kleiner, gebeugter Mann, sie über einen Kreuzgang zum Refektorium führte, das sich aus dem lateinischen refectio herleitete, der Wiederherstellung, wie Konrad wusste. Sie steuerten nicht etwa die Schlafkammern an, sondern den Speisesaal. Schwach drangen die Gesänge der Mönche, ihre Lobpreisungen an den Herrn, aus der Kirche bis zu ihnen hinüber.
    Man hatte sie mit großer Gastfreundlichkeit empfangen, die Zisterzienser hatten ihnen die Pferde abgenommen und zur Tränke geführt. Isenhart fragte einen von ihnen dreimal nach dem Zweck der hölzernen Rinnen, aber ein ums andere Mal schwieg der Mann. Sein aufkeimender Ärger über so viel Starrsinn wich dem Mitleid mit dem offensichtlich tauben Mann, bis der Prior sich ihnen vorstellte und Isenhart darüber aufklärte, dass es den Mönchen verboten war zu sprechen.
    Die Rinnen, erfuhr Isenhart von Konrad I., erstreckten sich von einem höher gelegenen See hinab in die Klosteranlage und führten Wasser mit sich. Auf diese Weise gelangte nicht nur Trinkwasser in die Gebäude, über hölzerne Schieber regulierten sie sogar das Volumen des Zulaufs.
    Isenhart war fasziniert.
    Gott hatte sie alle aus dem Nichts geschaffen. Den Himmel, die Erde, die Tiere. Aber was war vor ihm gewesen? Woraus bestand Gott? Gab es etwas, was ihn geschaffen hatte? Oder war er immer schon da? Das A und das

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