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Isenhart

Isenhart

Titel: Isenhart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holger Karsten Schmidt
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das sollte er erst viele Jahre später begreifen.
    Sie erreichten den Händler, der den Kopf einzog, als SigimundsAugen ihn mit versteinerter Miene trafen. »Hast du meine Tochter angerührt?«
    Von Westheim schluckte, er senkte den Blick.
    Isenhart registrierte die Schwellungen, die die Gesichtszüge des Mannes verunstalteten. Und er empfand Genugtuung bei diesem Anblick. Sein Körper befand sich in einer fast schmerzlichen Anspannung, jede Faser, jeder Muskel schien die Kontraktion nicht abwarten zu können, die Isenhart nach vorne schnellen lassen würde, um den Händler zu töten. Aus den Augenwinkeln registrierte er bei Konrad dieselbe Spannung, und es lag ein kalter Schimmer in den Pupillen des Freundes.
    »Er hat schon seit Jahren ein Auge auf Anna geworfen«, sagte Konrad.
    »Sprich!« Sigimunds Befehl wurde von einer kräftigen Ohrfeige unterstrichen.
    Von Westheim blickte auf, dem Fürsten in die Augen. Er war Sigimund von Laurin auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Hier herrschte die Gerichtsbarkeit der von Laurins und nichts sonst.
    »Ich habe nichts zu tun damit, Herr«, sagte er so leise, dass seine Stimme fast im Morgenwind unterging, »es ist schrecklich, was vorgefallen ist. Schrecklich. Aber ich habe Eurer Tochter kein Leid angetan.«
    Konrad spuckte in den Burghof. Er schenkte dem Mann ebenso wenig Glauben, wie Isenhart es tat.
    Sigimund holte zum zweiten Schlag aus, als Walther seine Stimme erhob und dabei kaum merklich vortrat: »Es gibt Spuren, Alexander von Westheim.«
    Konrad war mit dem kleinen Trupp den Spuren des Wagens gefolgt, bei Nacht kein leichtes Unterfangen, mehrmals mussten sie haltmachen und mit einer Fackel den Weg ableuchten. Schließlich erreichten sie Mulenbrunnen, vier Meilen entfernt, normalerweise eine Tagesreise. Konrad legte die Strecke in weniger als drei Stunden zurück.
    Die Spuren des Wagens führten direkt in die Klosteranlage zu Mulenbrunnen – und wieder hinaus.
    Abermals waren Konrad und seine Männer den Linien gefolgt, die die Wagenräder in den Schnee gepresst hatten. Und so waren sieauf von Westheim gestoßen, der sich anschickte, die Mulenbrunner Gemarkungen nach Norden hin zu verlassen.
    Nun sah der Jude Walther verzweifelt an.
    »Warst du in Mulenbrunnen?«, fragte Sigimund daher.
    »Ja, aber ich war heute nicht auf Eurem Besitz, Herr.«
    Sigimund zögerte. Und obwohl Isenhart sich danach sehnte, dass man von Westheim richtete, hier und jetzt, durch das Schwert, war er von der Haltung seines Fürsten beeindruckt. Wenn man Konrads Erzählungen von Giselberts Reisen nach Spira Glauben schenken konnte, hätte der Jude dort längst lichterloh gebrannt.
    Aber Sigimund von Laurin war trotz seines äußerlichen Gebarens aus anderem Holz. Mehr als einmal hatte er Leute davonkommen lassen, deren Schuld nicht eindeutig bewiesen werden konnte. Im Winter 1184 waren es zwei Bauern gewesen, die auf seinen Ländereien Holz geschlagen hatten, um ihre Familien vor dem Erfrieren zu bewahren. Zwei Sommer später erlegte eine Frau einen Keiler – angeblich, weil er sie angegriffen hatte. Sigimund von Laurin hätte sie wegen Wilderei durch Giselbert hinrichten lassen können – und unterließ es.
    Trotz dieser Begebenheiten war allgemein bekannt, dass man sich nicht auf seine Sanftmut verlassen konnte.
    Und nun stand jener Sigimund von Laurin dem fahrenden Händler gegenüber, der den Kopf immer tiefer senkte. Isenhart erhaschte einen Blick auf Henrick, der seine Hühner fütterte. Einst wegen seines Vorhabens belächelt, erwirtschaftete sein Hühnerstall genug Eier für die gesamte Burg und darüber hinaus. Regelmäßig machte er sich nach Grüningen auf, um dort die überschüssigen Eier an den Mann zu bringen.
    Und dann – vermutlich eine göttliche Eingebung – erschien Isenhart das Bild der toten und aufgebahrten Anna. Ein Bild, in dem etwas fehlte. Etwas, was er in Anwesenheit ihrer Leiche nicht benennen konnte. Aber jetzt wusste er es. Und trat vor.
    »Was habt ihr bei ihm gefunden?«, fragte er und registrierte die Überraschung der anderen über seine Einmischung.
    »Das hier«, antwortete der Sohn des Bogners, zog einen kleinen Lederbeutel hervor und ließ ihn auf die Ladefläche des Karrens fallen, woraufhin der Beutel einen Teil seines Inhalts preisgab, dersich über das nasse Holz zerstreute. Pfennige natürlich, zwei Sporen, ein paar Feuersteine und einen Bernstein.
    Isenhart sah das Schmuckwerk, den zerrissenen Lederriemen, an dem er hing, dann schoss er

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