Isenhart
Glückseligkeit emporgerissen hatten. Diese Kraft der Wahrhaftigkeit verlieh seinem Stand Sicherheit und seiner Haltung Würde. Um Anna, um ihrer geflüsterten Schwüre willen war er nicht bereit, auch nur einen Fußbreit zu weichen oder sein Wohl in Ausflüchten zu suchen, die das Andenken an Anna entehrt hätten.
Und wenn er dafür sein Leben lassen musste – ja, was dann?
Niemand, der auf Erden wandelte, blieb dieser letzte Gang erspart. Und wenn er ihn jetzt antreten sollte, dann war es ihm süß, es ihretwegen zu tun.
Sigimund trat an ihn heran, seine Miene war ernst, er kniff die Augen zusammen.
»Ich habe Eure Tochter geliebt«, kam Isenhart ihm zuvor, und auch wenn sein Herz ihm vor Angst bis zum Hals schlug, gab ihm die Erinnerung an Anna die nötige Kraft fortzufahren, »ich tue es noch immer. Und ich werde unter keiner Strafe der Welt dieses Bekenntnis zurücknehmen. Versteht Ihr? Ich werde meine Hand nicht von Annas lösen und …«
»Ja, schon gut«, knurrte Sigimund von Laurin. Isenhart hätte nicht geglaubt, dass es seinem Herrn möglich war, noch näher zu rücken. War es aber. Er konnte Sigimunds Atem spüren, ihn riechen.
»Was war, ist nicht mehr«, sagte Sigimund mit leisem Ernst, »dass ich dir nicht Arme und Beine breche, das ist, weil Anna es nicht gewollt hätte. Und weil ich das respektiere, obwohl sie eine Frau war. Und das, Isenhart, ist das letzte Mal, dass wir beide über meine Tochter gesprochen haben.«
Isenharts Unterkiefer begann zu zittern, er fürchtete, wenn er noch länger in diese dunklen Pupillen blickte, würde er in diesen Blick hineinfallen und für immer verschwinden.
Sigimund von Laurin trat wieder zurück. »Was ist mit deinem Kiefer?«
»Nichts, Herr.«
»Gut. Und jetzt erzähl mir von den Soldrittern.«
Isenhart hob den Blick wieder. Er lebte noch, es würde keine Strafe geben. »Es waren etwa ein Dutzend«, begann er, »sie kamen von Osten.«
»Ich will nur wissen, wie sie ausgesehen haben«, sagte Sigimund.
Isenhart versuchte, sich zu konzentrieren und möglichst detailliert das Aussehen jener Männer zu beschreiben, die er am Neckarufer beobachtet hatte. »Ihr Lederwams war mit Metall beschlagen, Eisen, schätze ich. Sie trugen Kettenhemden und Helme.«
»Waren sie mit Lanzen bewaffnet? Außergewöhnlich langen Spießen? Und Armbrüsten?«
Isenhart war, als wäre Sigimund von Laurin dabei gewesen und hätte ihm über die Schulter geschaut. Er nickte, denn genau darin bestand die Bewaffnung dieser Männer. Und jetzt, im Rückblick, erinnerte er sich auch wieder an ihre ungewöhnliche Betonung der Wörter, wovon er Sigimund berichtete.
Das nennt man Dialekt, hörte er Walther von Ascisberg sagen.
Sigimund von Laurin nickte: »So sprechen die Leute in Lothringen. Das sind Söldner aus Brabant, die dir begegnet sind: Brabanzonen.«
Isenhart entging weder Ernst noch Respekt, die in der Stimme seines Herrn mitschwangen.
Sigimund von Laurin wusste genug, um sich ein Bild von seinem Feind zu machen. Er trat wieder an die Maueröffnung und sog die frische Luft ein. Der Fürst genoss diesen Augenblick der Einsamkeit, es würde für lange Zeit der letzte sein. Wenn nicht der letzte überhaupt.
Die Brabanzonen waren keine eilig rekrutierten Bauernlümmel, die mit Knüppeln und Dreschflegeln ins Feld zogen, sondern auf den Kampf spezialisierte Söldner, das war weithin bekannt. Kunstfertig und furchtlos setzten sie ihre Piken gegen anstürmende Reiterei ein, die päpstliche Ächtung der Armbrust kümmerte sie nicht. Selbst wenn Ritterheere aufgeboten wurden, flohen sie nicht. Ihren Sold verdoppelten und verdreifachten sie durch Plünderungen, wobei ihnen in Hinsicht auf Gründlichkeit niemand das Wasser reichen konnte.
Auch Barbarossa hatte 1500 von ihnen für die Schlacht von Legnano rekrutiert, um sie den mailändischen Truppen entgegenzuwerfen. Sie wurden ebenso wie ihre Waffenbrüder, die Geldoni und die Armagnaken, von Königshäusern im Heiligen Römischen Reich und in Britannien eingesetzt.
Und nun bot Wilbrand von Mulenbrunnen sie gegen das Haus Laurin auf.
Mit der Achtung, vielleicht sogar der latenten Furcht Wilbrands vor einem Kampf mit Sigimund, die der Einsatz von Brabanzonen verriet, hielt der Burgherr sich nicht auf, vielmehr schloss er umgehend auf die taktische Information, die das Vorgehen des Abtes beinhaltete: Wilbrand stellte sich nicht auf eine lange Belagerung ein.
Drüben, in der Pfalz, aber auch in Sachsen war es zu bis zu
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