Isenhart
vierjährigen Belagerungen gekommen, die letztlich auf ein Aushungern jener hinausliefen, die sich verschanzt hatten.
Wilbrand mochte ein reicher Mann sein, doch die Besoldung der Brabanzonen war kostspielig – und blieb sie aus, konnten die lothringischen Söldner schnell die Seiten wechseln. Das und die frostigen Temperaturen ließen darauf schließen, dass Wilbrand von Mulenbrunnen die schnelle Entscheidung suchte.
Das kam Sigimunds Gemüt entgegen, untätiges Abwarten war ihm eine Qual. Erleichtert und mit jener beherzten Entschlossenheit, mit der er Mechthilds Vater um die Hand seiner Tochter gebeten hatte, machte er sich ans Werk und traf die nächsten Entscheidungen.
Das Hab und Gut der Bauern- und Handwerkerfamilien, die im Umkreis der Burg lebten, war schnell auf Karren geladen, die Menschen besaßen nicht viel, einen Tisch, ein paar Kleider, Kleinvieh.
Einige wenige wollten sich zu Verwandten in benachbarten Fürstentümern durchschlagen und hofften – sofern sie nicht den Plünderungen der Soldritter oder dem Frost zum Opfer fielen –, dort aufgenommen zu werden.
Die Mehrheit der Menschen, denen Konrad begegnete und denen er den Schutz der Burg anbot, reagierte dankbar. Natürlich gab es die Möglichkeit, sich in ihren Behausungen zu verkriechen und zu hoffen, dass die Fehde an ihnen vorbei ausgetragen würde, dass es zu keinen Plünderungen, Vergewaltigungen und sonstigen Brutalitäten und Nachstellungen käme. Konrad war verblüfft, wie viele diese Unsicherheit gegen die die nicht minder zwiespältige Gewissheit einzutauschen bereit waren, die sein Vater ihnen bot: Tod oder Überleben. Ein Dazwischen gab es nicht.
Sie murrten nicht einmal, als Konrad den Männern, die ihn bereits bei der Festnahme von Alexander von Westheim begleitet hatten, befahl, die Hütten in Brand zu setzen. Auch wenn die Frauen, Kinder und Männer mit eigenen Augen die manchmal jahrelange Arbeit an ihren Behausungen in Flammen aufgehen sahen, sagte ihnen der gesunde Menschenverstand doch, dass es zu ihrem Wohl geschah. Kein Vieh, mit dem die Brabanzonen sich den leeren Bauch vollschlagen konnten, kein Strohlager, auf dem die Soldritter ruhen, und keine Feuerstätte, an deren Flammen sie sich wärmen konnten.
»Wir werden alles wieder aufbauen«, versprach Konrad einer Familie, denen der Vater fehlte.
Eine Bauersfrau, den Rücken gebeugt, mit Schwielen an den Händen und schweren Tränensäcken unter den Augen, die mit einer Schar von fünf Kindern den Weg zur Burg hinaufzog, nickte ihm zu. »Ihr seid Konrad von Laurin«, sagte sie, als sei sie sich nicht ganz sicher, weshalb Konrad ein Nicken andeutete, »wir legen unser Heil in Eure Hand. Und in die Eures Vaters.«
»Wir werden euch Schutz und Schild sein«, antwortete Konrad und bemerkte, dass er das Gefühl, das ihn dabei erfasste, bereits kannte. Er hatte es erlebt, als Isenhart sich entschlossen hatte, ihn in den Kreuzzug zu begleiten. Auch jetzt stellte es sich wieder ein und verband ihn mit den Gedanken seines Vaters: die schützende Hand über die legen, die einem anvertraut waren.
Der feste Glaube dieser Frau an den Schutz, den man ihr gewähren wollte, erschütterte Konrad in seinem Innersten und war ihm gleichzeitig Ansporn, dafür zu sorgen, dass niemand, wirklich niemand aus dem Gesinde zu Schaden kommen sollte. Und wenn es ihn sein Leben kostete.
Dunkle Rauchschwaden erhoben sich aus der Siedlung und verdunkelten die Burg, die weit oberhalb lag.
»Du machst nichts anderes, als diesen Gang zu bewachen«, hatte Sigimund von Laurin angeordnet und dann hinter sich auf zwei Türen gedeutet, »die Kammer deiner Herrin und die Kammer meiner Tochter Sophia.« Um ihm dann wieder in die Augen zu schauen, ihn kurz zu mustern und dann hinzuzufügen: »Solange du noch einen Atemzug tust, wird kein Mann lebend diesen Durchgang passieren.«
»Niemand, Herr.« Seine Antwort ging ihm mit solch grimmiger Entschlossenheit über die Lippen, dass selbst der Burgherr kurz stutzte, bevor er wieder seiner Wege ging und weitere Vorbereitungen traf.
Giselbert war sowohl aufseiten des Hauses Laurin wie aufseiten Wilbrands vermutlich derjenige, der sich am meisten auf diese Belagerung freute, die seinetwegen gerne bis zum Jüngsten Tag andauern konnte. Endlich war er unter Leuten!
Keine salzigen Tränen mehr auf das einsame Nachtlager, beinahe hätte er ein fröhliches Lied angestimmt, so sehr hüpfte ihm das Herz. Er schaute den Gang hinunter, in dem jetzt eine Tür
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