Isenhart
ihm eine Streitaxt.
Isenhart fühlte sich einem Zweikampf nicht gewachsen, er hatte das Messen mit Waffen nie geübt, und der Brabanzone dort war ein richtiger Söldner. Kräftig, bärtig, eisenbewehrt.
Aber das war Makulatur, als er Sophias Gesicht sah, ihre vor Angst geweiteten Augen, die hilflosen Versuche ihrer dünnen Arme, den massigen Körper des Soldritters von sich zu drücken. Die gelbe Galle gewann die Oberhand in ihm, er dachte nicht mehr, wägte nicht ab, sondern ergriff den schmiedeeisernen Kerzenleuchter – sein Werk –, war mit einem katzenhaften Sprung über dem überraschten Mann und hieb ihm das Metall auf den Kopf. Eine Delle im Helm, mehr bewirkte der erste Schlag nicht. Der Brabanzone hob abwehrend den Arm, aber dann – und das war Sophias flehendem Blick zu verdanken – verwandelte Isenhart sich.
»In ein Tier«, sollte Sophia später ohne Abscheu sagen.
Marie, die Konrads Freund mochte, obwohl sie es noch nicht artikulieren konnte, war entsetzt über das, was sie sah. Isenharts ebenmäßiges Gesicht wurde von dem hässlichen Willen zu töten verzerrt, seine Augen waren die eines Fisches: leblos und kalt. »Als sei der Teufel in ihn gefahren«, sollte sie Vater Hieronymus später anvertrauen.
In einer nahezu übermenschlichen Schnelligkeit und Wucht fuhr der Kerzenleuchter binnen Sekunden ein Dutzend Mal nieder, brach dem Brabanzonen erst das Handgelenk, dann den Helm und schließlich Kiefer, Nase und Schädel.
Erst, als eine gräuliche, wässrige Substanz aus einem der Schädelrisse trat, ließ Isenhart den Leuchter sinken und zu Boden poltern, er war völlig außer Atem. Kurz ließ er sich dazu hinreißen, einen näheren Blick auf das zu werfen, was aus dem Kopf des Toten quoll, dann packte er Sophia und zog sie zu sich hoch.
»Kannst du gehen?«
Sophia liefen die Tränen über die Wangen, sie nickte. Isenhart sah zu Marie, die totenbleich neben der Tür stand.
»Kennst du den geheimen Fluchtgang?«
Marie zwang sich zu einem Nicken.
»Nimm Sophia mit. Am Ausgang des Stollens wartest du auf mich. Hast du verstanden?«
Marie nickte erneut.
Eigentlich hatte Konrad dem Freund in die Kammer seiner Schwester folgen wollen, doch als er aus dem Zimmer seiner Mutter lief, stieß er um ein Haar mit einem Mann zusammen, der eine Plattenpanzerung trug und gerade den Durchgang erreicht hatte, der den Gang und die Treppe, die ins Erdgeschoss führte, miteinander verband.
Es war Rogier van Heyden, der Lanze und Schwert trug. Mit der Lanze stieß er sofort nach dem jungen Mann und entnahm der geschickten Drehung, mit der Konrad von Laurin den Stoß ins Leere gehen ließ, dass sein Gegner keinesfalls seinen ersten Zweikampf bestritt. Dies unterstrich Konrad, der noch in der Drehung sein Schwert gezogen hatte, mit einem Hieb in den Unterleib des Brabanzonen, der wegen der Panzerung aber keinerlei Wirkung zeitigte.
Sein Vater hatte ihn die Schwachstellen einer Plattenpanzerung gelehrt, die in den Übergängen vom Torso zu den Gliedmaßen und dem Hals bestanden. Doch einen beweglichen Gegner dort mit der Kraft zu treffen, die es benötigte, um ihn ernsthaft zu verletzen, war schwierig. Bei Rogier van Heyden kam hinzu, dass dieser Mann auch noch mit Schwert und Lanze umzugehen verstand.
Konrad wusste auch um seinen eigenen Vorteil: die Schnelligkeit. Und er hätte sie dazu nutzen können, vor dem schier unbesiegbaren Feind davonzulaufen, denn van Heyden, der gut und gerne an die hundert Pfund an Rüstung mit sich trug, hätte ihn niemals einholen können.
Doch der Brabanzone stand höchst günstig in dem Durchlass, weil er ihn auch seinen Kampfgefährten versperrte. Je länger es also Konrad gelang, ihn an dieser Stelle durch seine Attacken zu fixieren, umso größer gestaltete sich Sophias und Maries Chance auf eine erfolgreiche Flucht.
Wie aus dem Nichts tauchte Isenhart plötzlich neben ihm auf, im Schein der Fackeln traktierte er Rogier van Heyden mit der Streitaxt, die er in Sophias Gemach aufgelesen hatte. Gemeinsam droschen sie auf den Brabanzonen ein, freilich ohne ihn in Bedrängnis bringen zu können. Die Schneide der Axt wie auch Konrads Klinge wurden schnell schartig, da sie an dem viel härteren Eisen der Rüstung ein ums andere Mal abprallten.
Das Feuer am Burgtor bildete noch immer ein wirksames Hindernis, obschon die Flammen an Höhe verloren, zu deren Füßen die verkohlten Leiber von rund zwanzig Soldrittern lagen und unter der enormen Hitze, die nach und nach Zähne
Weitere Kostenlose Bücher