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Isenhart

Isenhart

Titel: Isenhart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holger Karsten Schmidt
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herrschte das Stöhnen der Verwundeten, hier und da prallten noch Waffen aufeinander.
    »Ich werde Eurem Sohn ein faires Gericht halten und Eure Frau und Tochter zu einem anständigen Preis verkaufen, dass sie bei guten Menschen Dienst tun«, versprach Wilbrand, bevor er das Schwert hob und Sigimund von Laurin den Kopf vom Hals trennte.
    Isenhart spürte den Schweiß am ganzen Körper, als er mit der Fackel in der rechten Hand den Weg im Stollen ausleuchtete. Er trug Konrad über der Schulter, seine Knie zitterten unter dem Gewicht. Ständig stieß er mit dem Körper des Freundes links oder rechts gegen die Stollenwände.
    In seinem Kopf überschlugen sich die Gedanken. Konrad brauchte dringend Hilfe – aber wo und vor allem durch wen? Eine Reisenach Spira würde er nicht überstehen, das war Isenhart klar. Dass die Wunde den Freund vermutlich das Leben kosten würde, daran wollte er nicht denken.
    Als er den Ausgang erblickte, warf er die Fackel zu Boden und trat sie aus. Den letzten Abschnitt legte er im Halbdunkel zurück, schob den Efeu beiseite und trat hinaus.
    »Konrad!«
    Der Schrei ließ ihn erschauern, denn es war Marie, die ihn von sich gegeben hatte. Die Dienerin, die einen erstaunlich kühlen Kopf bewiesen hatte – Isenhart sah Sophia in Decken gehüllt auf einem Pferd kauern, außerdem Proviant, ein weiteres Pferd aus dem verborgenen Unterstand, in dem Giselbert sich um die Tiere gekümmert hatte –, kam ihm entgegen. Die an Entsetzen grenzende Angst, die sich in Maries Zügen spiegelte, verriet Isenhart, wie unverzichtbar Konrad in ihrem Leben geworden war.
    Sophia ging binnen Momenten durch ein Wechselbad der Gefühle. Zunächst war sie erleichtert, den jungen Schmied zu sehen, bemerkte dann den großen, dunklen Blutfleck, der sich von seiner Schulter bis fast zur Hüfte hinab ausbreitete, worauf sie annahm, er müsse schwer verletzt sein. Und sie spürte, dass sie seinen Tod nicht auch noch ertragen wollte. Erst als Isenhart den Körper ihres Bruders aufs Pferd hob, begriff sie, von wem das Blut ursprünglich stammte. So empfand sie gleichzeitig Erleichterung über Isenharts Unversehrtheit und Bestürzung über Konrads Zustand.
    Trotz der Fieberschübe, die kamen und gingen, ließ sie sich vom Pferd gleiten. »Mein Bruder muss versorgt werden.«
    »Wir können nicht zurück«, erwiderte Isenhart knapp und achtete darauf, Sophia dabei nicht in die Augen zu schauen. Hoch oben über ihnen konnte man die Flammen sehen, die in den Nachthimmel schlugen.
    »Und meine Mutter? Mein Vater?«
    Dieses Mal hob Isenhart den Blick und sah ihr in die Augen. Sophia las in ihnen das Mitgefühl dessen, der einen Wissensvorsprung besaß.
    »Wir können nicht zurück«, wiederholte Isenhart. Und in diesen vier Worten lag das ganze Schicksal des Hauses Laurin.
    Die Pferde waren zwar ausgeruht, aber sie trugen das doppelte Gewicht.
    Marie und Isenhart hatten Konrad in Decken gehüllt und an jenem Pferd festgebunden, auf dem Isenhart ritt. Er orientierte sich an dem dunklen Halbrund, das sich in die Nacht erhob: den Ascisberg. Marie, die das andere Pferd führte, das Sophia und sie trug, folgte ihm dicht auf.
    Sie bewegten sich im Trab, eine schnellere Gangart wäre bei den Lichtverhältnissen selbstmörderisch gewesen, und Isenhart, der Teile von Wilbrands Truppen in der Nähe vermutete, verzichtete aus diesem Grund auf eine Fackel.
    In Grüningen lebte ein Medicus, der keinen besonders guten Ruf genoss, doch Isenhart war überzeugt, dass Konrad mit einer schlechten Versorgung seiner Wunde besser gedient war als mit gar keiner. Natürlich konnten sich auch dort Männer des Abtes aufhalten, trotzdem wollte Isenhart es wagen, denn die Vorstellung, nicht alles für das Überleben des Freundes getan zu haben, war ihm unerträglich.
    Erst war es ein Wispern hinter ihm. Dann vernahm er Sophias Stimme deutlicher. »Reiter«, sagte sie.
    Isenhart stoppte sein Pferd und lauschte. Tatsächlich war Hufgetrappel zu hören.
    Als habe selbst der Mond sich mit dem Abt aus Mulenbrunnen verbündet, trat das Himmelsgestirn hinter einigen Wolken hervor und warf sein Licht auf die Fliehenden. Isenhart entdeckte zwei Reiter, deren Helme und Kettenhemden den Mondschein reflektierten.
    Ohne Zweifel hatten die Verfolger sie nun ebenfalls entdeckt, denn sie gaben ihren Rössern die Sporen und jagten heran. Isenhart und Marie sprengten davon. Wegen einiger Äste, die über den Pfad reichten, auf dem sie flohen, zogen sie die Köpfe ein und

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