Isenhart
beugten sich weit nach vorne.
Doch zwei Biegungen weiter hatte sich der Abstand zu den beiden Brabanzonen bereits um die Hälfte verkürzt. Sie konnten ihnen unmöglich entkommen. Mitten im Galopp einen Angriff von hinten abzuwehren und auch noch Marie und Sophia zu schützen, erschien Isenhart ohne die geringste Aussicht auf Erfolg.
Also reichte er Sophia die Zügel seines Pferdes, denn wenn seine Erinnerung ihn nicht trog, mussten sie jeden Augenblick einen Steg erreichen, der über die Glems führte. Es war der Weg, den Walther von Ascisberg vor vielen Jahren mit ihm eingeschlagen hatte, um ihm das Wasserrad zu zeigen.
»Reitet«, rief Isenhart, als der Steg in Sichtweite kam, »reitet und haltet nicht!«
Er packte die Streitaxt und ließ sich vom Pferd fallen. Bei dem Sturz auf den Pfad und ins Unterholz schlug er sich das Knie an einem Baumstamm an. Der Schmerz fuhr Isenhart ins Hirn, aber dann machte er eine außergewöhnliche Erfahrung: Kraft einer Willensanstrengung schob er den Schmerz einfach beiseite wie einen Vorhang. Er gestattete ihm nicht zu sein.
Der Steg bildete die Engstelle, die auch die Verfolger passieren mussten. Dort konnte er sie aufhalten. Und sich danach den Schmerzen hingeben.
Eilig humpelte Isenhart über das Holz, das unter seinen Schritten knarrte. Der Steg war breit genug für zwei Reiter, und genau so stürmten die Brabanzonen auf ihn zu. Isenhart warf einen Blick hinter sich, wo Marie, Sophia und Konrad im angrenzenden Wald verschwanden.
Dann waren die Verfolger da. Isenhart hob die Streitaxt, aber er unterschätzte die Erschütterung, die die Pferde hervorriefen, als sie über die Bohlen jagten, die dabei leicht ins Wanken gerieten und Isenhart zu einem Stützschritt zwangen. So geriet er zwischen die Leiber der Rösser, die ihn seitlich rammten und zu Boden warfen. Isenhart schlug hart auf, die Streitaxt schlitterte davon, der Schmerz im Knie meldete sich zurück. Sein Blick folgte den Brabanzonen, die den Steg überquert hatten.
Sie würden Sigimunds Kinder einholen und töten.
Er hatte versagt.
Doch dann wurde der erste Verfolger von einer riesigen, unsichtbaren Hand aus dem Sattel gehoben und fallen gelassen. Ein Wimpernschlag später erging es dem zweiten Mann ebenso. Während dieser liegen blieb, rappelte der erste sich auf und schleppte sich mit unsicheren Schritten zurück.
Das markante Surren von Armbrustbolzen, die durch die Luftzischten, drang bis an Isenharts Ohr. Der Brabanzone, dem ein Bolzen in der Hüfte steckte, wurde von drei weiteren Armbrustgeschossen getroffen und zu Boden gerissen.
Eine Gestalt auf einem Pferd schob sich langsam aus dem Wald, dann eine zweite, dritte.
Isenhart kniff die Augen zusammen: Was waren das für Männer? Hatten Wilbrands Ritter ihre Armbrüste versehentlich gegen Verbündete eingesetzt?
Ein Mann ohne Kettenhemd und Helm stieg vom Pferd und hockte sich neben den Verfolger, der soeben getötet worden war. Dort verharrte er nur kurz, dann wandte er Kopf und Blick zum Steg und wurde auf Isenhart aufmerksam.
Dieser spielte kurz mit dem Gedanken, sich in den Fluss zu werfen und von der seichten Strömung der Glems davontragen zu lassen, doch dann erkannte er zu seiner maßlosen Erleichterung in dem Mann, der sich ihm nun näherte, Walther von Ascisberg. Isenhart zog sich am Geländer des Stegs hoch, sein Knie erschien ihm glühend heiß und sandte ein Pochen aus, das in wellenartigen Schüben seinen Körper durchlief.
»Bist du verletzt?«, fragte Walther, sein Gesicht war voller Sorge.
»Nein«, brachte Isenhart hervor, »aber Konrad. Er …«
»Ich weiß«, unterbrach Walther ihn sanft, »ist der Fluchtgang noch unbesetzt?«
Isenhart nahm an die vier Dutzend Ritter wahr, die sich nun näherten. Das war es also: Walther von Ascisberg hatte sich um Verstärkung bemüht. Als sich ihre Wege in Grüningen getrennt hatten, hatte er bereits vorausgesehen, was nun geschehen war.
»Das Haus Laurin ist gefallen«, stellte Isenhart matt fest, und als er seine eigenen Worte hörte, schnürte es ihm die Kehle zusammen.
Ein tiefes Seufzen drang aus Walthers Mund. »Und Sigimund?«, fragte er dennoch.
Isenhart schüttelte den Kopf.
1190 verlor das Heilige Römische Reich zwei überragende Männer. Der eine war Sigimund von Laurin, den die Geschichte vergessensollte. Der andere war Kaiser Friedrich Barbarossa, der auf seinem Kreuzzug ins Heilige Land im Saleph ertrank. Er bekam keine Luft mehr, ganz so, wie Sophia es prophezeit
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