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Isenhart

Isenhart

Titel: Isenhart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holger Karsten Schmidt
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Irgendwann.«
    Walther von Ascisberg schaute sich über die Schulter, sah seinem Freund in die Augen. »Vielleicht«, erwiderte er mit Bedauern, »ja, vielleicht. Aber wenn es einmal so weit ist, wenn das Meer erstarrt und seine Ränder sich nicht mehr als Wellen ans Ufer werfen, dann bin ich überzeugt davon, dass ein großer Schmerz über die Menschen kommt.«
    »Was für ein Schmerz soll das sein?«
    »Einer, der nicht auszuhalten ist.«
    Sigimund hatte die Worte einen Moment lang auf sich wirken lassen, dann genickt, sich abgewandt und seinen Freund nicht länger behelligt.
    Daran musste Walther denken, als die Nachhut wieder zu ihnen aufschloss und er erfuhr, was sich bei Fügingen ereignet hatte.
    Wie Wilbrand von Mulenbrunnen war auch er in der Lage, aus vergangenen Ereignissen die richtigen Schlüsse für zukünftige zu ziehen. Dem Abt war mit ziemlicher Sicherheit klar, wohin er die Flüchtlinge hatte führen wollen – nach Spira. Sich dort um einen Unterschlupf zu kümmern, war Walthers Plan gewesen, doch erschien ihm Spira nun nicht länger sicher. Dort würde man zuerst nach dem jungen Laurin suchen.
    Natürlich konnte er ihn – sofern er nicht bald starb, wonach es im Augenblick eher aussah – weit weg schaffen, nach Flandern beispielsweise oder ins Dänische Königreich, wo er ein Unbekannter war. Aber die Entfernung und der Schutz, den Walther zu mobilisieren in der Lage war, ergaben stets dieselbe Summe. Man hätte Konrad ins ferne China schaffen können, wo man kaum nach ihm suchen würde. Wenn doch, war es Walther aber unmöglich, ihndort zu schützen. In Spira wiederum würde man Konrad schneller finden, aber hier besaß Walther wiederum ausreichende Verbindungen, um den letzten Laurin abzusichern.
    Und dessen Überleben hatte im Augenblick höchste Priorität. Sigimund war tot, für ihn konnte er nichts mehr tun. Seit Isenhart es ihm an der Glems nur mit einem Blick berichtet hatte, schwiegen für Walther die Wellen, und das Meer hörte auf zu sein.
    In den frühen Morgenstunden des 25. Dezembers erreichten sie unbehelligt Bruchsal, das unter dichtem Nebel lag. Schon von fern ereilte sie der Hall der Kirchenglocken, die das Volk, das heute die Arbeit ruhen ließ, in das Gotteshaus riefen. Denn es war der Tag der geweihten Nacht, der Wintersonnenwende und des Jahreswechsels.
    Isenhart hatte die vor Fieber entkräftete Sophia vor sich aufs Pferd genommen, den linken Arm schützend um ihren Hals und ihre Oberarme gelegt. So ritt er bald anderthalb Stunden, Marie neben sich, die sich kaum noch auf ihrem Pferd zu halten vermochte.
    Sein Arm war erstarrt, Sophia in den Erschöpfungsschlaf gefallen, und Isenhart folgte seinem Mentor und hatte dabei stets einen Blick auf Konrad, der kein einziges Mal erwachte. Er stöhnte und seufzte lediglich hin und wieder in seiner tiefen Bewusstlosigkeit.
    Die Feier der Geburt des Gottessohnes und der dichte Nebel waren ihre Garanten für eine nahezu unbemerkte Durchquerung des Ortes. Als Walther sicher zu sein glaubte, dass ihnen niemand folgte, hörten sie jedoch erst die Hufe und dann das Schnaufen eines Pferdes, das einen Gewaltritt hinter sich gebracht haben musste.
    Vier von Simons Rittern wendeten ihre Rösser und legten die Lanzen an. Doch dann schälte sich, einer Zwiebel gleich, die Schicht um Schicht ihr Innerstes preisgab, Vater Hieronymus aus den Nebelschwaden und nahm immer mehr Gestalt an.
    Erleichterung ergriff sie ohne Ausnahme. Walther, der stets auf Distanz zu dem Geistlichen geblieben war, Hieronymus, der Walther seit jeher mit Skepsis begegnet war, und selbst Isenhart, der sich die Anzahl der erlittenen Rohrstockhiebe über alle die Jahre gemerkt hatte – zweihundertneunundvierzig –, sie alle waren von Freude über dieses Wiedersehen erfüllt.
    Hieronymus lief zu Konrad, kniete sich neben ihn in den Schnee, öffnete seine schlaffe Hand und legte jenen Splitter hinein, von dem er immer noch glaubte, er stamme vom Kreuz Christi. Dieser Holzspan hatte Konrad von Laurin unversehrt aus dem Kreuzzug heimkehren lassen, mit Gottes Hilfe würde er ihn auch aus dem Niemandsland zwischen Diesseits und Jenseits zurückführen.
    Nördlich von Bruchsal traf eine Bauernfamilie eine göttliche Fügung, wie sie später ihren Kindern und noch viel später ihren Kindeskindern berichten sollte. Eine Schar von Rittern traf zur geweihten Nacht auf dem Hof ein. Deren Pferde leerten die Tränken und fraßen nahezu den gesamten Heuvorrat, den der Bauer für

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