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Isis

Isis

Titel: Isis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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der vielen Posten zu brenzlig wird?«
    »Ich bin zu alt, um mir weiterhin die Nächte in dunklen Schächten um die Ohren zu schlagen. Zudem hat meine Gesundheit gelitten. Ich denke, es ist an der Zeit zu übergeben. Du wirst mich sicherlich nicht enttäuschen.«
    Ein Haufen Steinschutt, der sich vor ihm auftürmte, zwang Khay abrupt zum Innehalten. Mit bloßen Händen konnte er das scharfkantige Geröll nicht beiseite schaffen. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als seinen Hintermann mit einem kurzen Pfiff zu verständigen.
    »Wir müssen schaufeln«, sagte Khay, als einer der drei Begleiter nah genug herangerobbt war. »Aber ganz vorsichtig, verstanden?« Er befürchtete, alles könne einstürzen.
    Er drückte sich seitlich an die Wand und machte sich so flach wie möglich. Trotzdem musste sich der Mann mit seinem schweren Leib über ihn wälzen, ebenso der zweite, der zudem penetrant nach Zwiebeln und Bohnen stank. Vor Ekel und innerer Anspannung hätte Khay aufschreien können, und nur mühsam gelang es ihm, sich zu beherrschen.
    Geschickt hatten die Fremden schließlich die Schaufeln von den Stricken befreit, mit denen sie sie sich auf den Rücken gebunden hatten, und sie begannen zu graben. Öllämpchen, die sie auf ihren Köpfen befestigt hatten, spendeten ein unstetes Licht, das ständig zu ersticken drohte. Ächzend brachten sie das Kunststück zustande, eine Öffnung zu schaffen, die groß genug war, um durchzukriechen.
    »Entweder handelt es sich wieder einmal um eine Finte«, murmelte Khay mit zusammengebissenen Zähnen, als er sich als Erster erneut in Bewegung setzte, »oder wir sind fast am Ziel.«
    Wie oft hatte er schon unverrichteter Dinge umkehren müssen! Breite, gut ausgebaute Gänge konnten plötzlich blind enden oder in einer auffällig getarnten Grabkammer münden, die zunächst Aufregendes verhieß. Hatten sie sie dann aufgebrochen, stellte sich heraus, dass sie entweder leer war oder nur mit wertlosen Kopien einstiger Schätze bestückt.
    Dieses Mal hatte er sich daher für einen schmalen, gut versteckten Nebenstollen entschieden, der allerdings so niedrig und eng war, dass ihm inzwischen jeder Knochen weh tat.
    Abgestandene Luft schlug ihm entgegen, vermischt mit einem unangenehm süßlichen Gestank, der ihn zum Würgen brachte. Mit knappen Atemzügen versuchte Khay sich seiner Übelkeit zu erwehren. Inzwischen war er nah genug um zu erkennen, dass hinter dem Loch ein dunkler Raum lag, dessen Größe er in der Bauchlage nur schwer abschätzen konnte. Er zwängte sich durch die Öffnung und stand vorsichtig auf.
    Was für ein Anblick!
    Überall Särge, so weit er sehen konnte, alle aufgebrochen. Er war umgeben von Mumien, die ihn blicklos anzustarren schienen. Einige hatten Reste getrockneter Blütenkränze um den Hals, andere waren halb aus ihren Binden gerissen, als wären gierige Hände beim Durchwühlen gestört worden.
    Viele aber besaßen offenbar noch ihren ursprünglichen Grabschmuck, kostbare Amulette und juwelenbesetzte Ringe, Armbänder und Halsketten, die im Halbdunkel aufblitzten, sobald das Licht sie streifte.
    Halb benommen ging Khay weiter. Nach seiner ersten Schätzung mussten vierzig Tote und mehr hier liegen. Auf einigen der Särge entdeckte er Kartuschen. Als er sich bückte, um sie zu entziffern, überliefen ihn kalte Schauer. Amenophis, Ahmose, Siamun, Seqenenre — sie hatten offenbar ein ganzes Grabgewölbe voll früherer Pharaonen aufgestöbert. Aber wieso lagen sie hier alle zusammen im wilden Durcheinander dieser provisorischen Kammer, in die ganz offensichtlich mehr als ein Eindringling vorgestoßen war?
    Khay wollte keine plausible Antwort einfallen, und hinter seinen Schläfen begann es zu pochen. Er spürte, wie seine Nase zu bluten begann, und suchte nach einem Halt. Als er ein Stück entfernt an der Wand einen Holzsarg entdeckte, den einzigen verschlossenen weit und breit, stützte er sich kurz ihn. Doch der morsche Deckel gab unter seinem Gewicht nach. Khay versuchte sich mit den Händen einzuhalten, griff aber ins Leere. Unter dem hässlichen Knirschen von Holz und Knochen fiel er in eine zerbrochene Mumie.
    Eine dicke Staubwolke hüllte ihn ein. Zu Tode erschrocken, brachte er zunächst keinen Ton heraus.
    »Hilfe!«, schrie er schließlich erstickt, als er wieder halbwegs denken konnte. »Hier bin ich! Holt mich sofort raus — beeilt euch!«
    Die drei Männer aus Keftiu packten ihn an Armen und Beinen und zogen ihn mit vereinten Kräften heraus. Leicht

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