Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Isis

Isis

Titel: Isis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
Vom Netzwerk:
wieder aufnahmen und Udjarenes zurück nach Hause trugen.
     
    oooo
     
    Mittlerweile kannte Meret die Stadt. Sie empfing die Ratsuchenden nur während der Vormittage in einem halb verfallenen Anbau in der Tempelstadt und nutzte die Nachmittage meist, um durch die Straßen und Gassen Wasets zu streifen. Am liebsten mochte sie den Markt mit seinen Ständen und kleinen Bretterbuden, wenngleich er es bei weitem nicht mit der Vielfalt des Angebots in Sunu aufnehmen konnte.
    Bauern aus der Umgebung verkauften ihre Bohnen und Linsen, Händlerinnen boten Fische für die Ärmeren an, die sich kein Fleisch leisten konnten. Es roch nach in Fett gebackenen Kuchen. Manchmal blieb sie stehen, wenn ihr jemand entgegenkam. Jedes Mal jedoch verflog dieser schwache Hauch von Erkennen ebenso rasch, wie er gekommen war. In vernünftigen Momenten sagte Meret sich, dass es sinnlos war, was sie da versuchte. Sie war nicht einmal zwei Jahre alt gewesen, als sie mit Ruza die Stadt verlassen hatte - wie sollte sie sich da erinnern? Und doch setzte sie schon bald ihre ruhelosen Wanderungen wieder fort. Was in ihr nach Antwort drängte, ließ sich nicht länger übergehen. Vielleicht würde es ja weiterhelfen, sich überall nach Ruza zu erkundigen.
    Aber schon bald musste Meret einsehen, dass sie auch damit ihr Ziel nicht erreichte. Denn wen immer sie nach ihrer Ziehmutter befragte, niemand schien etwas von ihr gehört zu haben. Ruza war ihre Amme gewesen, das wusste Meret inzwischen. Doch wer konnte sich nach so vielen Jahren noch an eine Amme erinnern?
    Schließlich beschloss sie, mit Khay zu reden.
    Schweigend und schmallippig arbeitete er in der Tempelwerkstatt, zu Merets Überraschung an der gleichen Statue, die sie schon einmal unter seinen Händen hatte entstehen sehen. Diese Isis jedoch war allenfalls eine schlechte Kopie der anderen, der Körper plump, die Arme nur angedeutet.
    Der Kopf hätte einer Bäuerin gehören können. Einzig die Sonnenscheibe zwischen den Hörnern schien halbwegs gelungen.
    Er musste ihre prüfenden Blicke bemerkt haben.
    »Was willst du?«, sagte er unfreundlich. »Siehst du nicht, dass ich zu tun habe?«
    »Wo ist die andere Skulptur?«, fragte sie.
    »In abertausend Stücke zerschlagen. Ebenso wie die drei folgenden. Und ich denke, das wird dieser Missgeburt hier auch sehr bald blühen.« Er gab der Statue einen Stoß, der sie bedenklich zum Schwanken brachte.
    »Weshalb?«
    »Hast du keine Augen im Kopf?«
    »Die erste Isis fand ich sehr schön«, sagte Meret vorsichtig.
    »Voller Anmut und Leben.«
    »Vielleicht. Aber jetzt ist alles ganz anders. Ich bin eben kein mittelmäßiger Steinmetz mehr, sondern nur noch ein Stümper.« Meret fiel auf, dass er immer wieder hastig auf den Hof hinausschaute, von woher Suppengeruch durch die Werkstatt zog. »Und weißt du auch, weshalb?« Er wartete Merets Antwort nicht ab. »Sie hat mich verschmäht, verstehst du? Sie, die Einzige, die ich jemals wirklich wollte.«
    »Und was hat das mit Isis zu tun?«
    Er lachte höhnisch.
    »Jede Menge!« Khay ließ seinen Meißel sinken und kam Meret nah. »Du bist doch auch eine schöne Frau. Stell dir vor, ich würde dir meine Liebe gestehen. Würdest du mich auch zurückweisen, als wäre ich verkrüppelt oder aussätzig? Komm schon, sag es mir ganz offen ins Gesicht!«
    Er schien plötzlich so wütend, dass sie zurückwich.
    »Dazu weiß ich zu wenig von dir. Du bist doch derjenige, der behauptet, mich zu kennen.«
    »Ach, das.« Khay winkte müde ab. »Aber ich weiß noch immer nicht, woher.«
    »Mir liegt sehr viel daran, mehr darüber herauszufinden. Ich war sehr klein, als ich Waset verlassen habe. Vielleicht könnten wir unsere Erinnerungen austauschen.«
    Er antwortete nicht und nahm dafür sein Werkzeug wieder lustlos auf.
    »Bitte!«, sagte sie. »Ich muss es herausfinden. Und ich weiß nicht, an wen ich mich sonst wenden könnte.«
    »Meinetwegen. Unterhalten wir uns mal!« Khay schien jede Ausrede recht, aus der Werkstatt zu verschwinden. »Aber nicht im Tempel, das kannst du gleich vergessen! Ich habe unter diesen Abergläubischen, die dich in Scharen heimsuchen, nichts verloren.«
    »Vielleicht bei dir zu Hause?«, schlug Meret vor.
    »Wo ich jetzt nächtige, das kann ich dir nicht zumuten.«
    »Dann komm doch zu mir! Gleich morgen Abend? Ich wohne in dem blauen Haus links vor der Tempelmauer. Du kannst es gar nicht verfehlen.«
    Beim Hinausgehen machte Meret einen kleinen Umweg durch den Hof. Im Schatten einer

Weitere Kostenlose Bücher